Die Vergütung von Vorständen erlebt spannende Zeiten. So hat die Umsetzung der zweiten europäischen Aktionärsrechterichtlinie in deutsches Recht (ARUG II) dazu geführt, dass Anleger in der Hauptversammlungssaison 2021 erstmals nach § 120a Abs. 1 AktG ihr Votum über das Vergütungssystem abgeben konnten – und damit insbesondere ihre Einschätzung zu den darin verankerten Zielen. Die Vorbereitungen auf ein erfolgreiches Say on Pay zum Vergütungssystem hat viele börsennotierte Unternehmen Kraft und Energie gekostet. Nun wartet auf sie jedoch die nächste Herausforderung: Das Votum nach § 120a Abs. 4 AktG zum erstmals nach § 162 AktG erstellten Vergütungsbericht  auf den Hauptversammlungen in 2022.

Von der Theorie zur Praxis bzw. vom Vergütungssystem zum Vergütungsbericht

Mit diesem neuen Tagesordnungspunkt erfolgt gewissermaßen der Wechsel aus der Theorie in die Praxis der Vorstandsvergütung. Denn während es im Vergütungssystem vor allem darum geht, den Rahmen der Vergütung abzustecken und beispielsweise über Erfolgsziele und Vergütungskomponenten Auskunft zu geben, gilt es nun, Rechenschaft über die Umsetzung und tatsächlich realisierte Vergütung abzulegen – und somit die Vergütungspraxis inkusive der damit verbundenen Auszahlungen auszuweisen. Und hierfür gibt es – ebenso wie bei den Vergütungssystemen – einiges zu beachten.

So gilt es, die durchaus interpretationswürdigen regulatorischen Vorgaben des § 162 AktG zu beachten, allerdings auch Soft-Law-Aspekten wie den Empfehlungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) Rechnung zu tragen. Perspektivisch mitzudenken sind darüber hinaus die angekündigten Mustertabellen der EU-Kommission, die zur Auslegung der Vorgaben zum Individualausweis in der Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung herangezogen werden könnten, wenngleich sie bis dato nur in einem Entwurf vom Juli 2019 vorliegen.

Der Vergütungsbericht als Marketing-Instrument: die Erwartungen der Investoren

Doch das bloße Erfüllen von regulatorischen Vorgaben reicht bei Weitem nicht, wenn es um ein erfolgreiches Bestehen des Aktionärsvotums geht. Maßgeblich hierfür sind die Erwartungen institutioneller Investoren und deren Stimmrechtsberatern. Damit ist der Vergütungsbericht nicht nur eine gesetzliche Pflichtaufgabe, sondern er ist letztlich vor allem ein lebendiges Marketing-Instrument, das zum Ziel hat, das Aktionariat zu überzeugen.

Dies belegen auch die Rückmeldungen von Investorenseite auf die Abstimmungen zu den Vergütungssystemen in der zurückliegenden Hauptversammlungssaison: War für sie das System „graue“ Theorie, werden sie bei der Rechenschaft über die Umsetzung genau hinsehen und erfahren, wie die Vorstandsvergütung konkret festgesetzt wurde. Welche Ziele sind in welchem Ausmaß erreicht worden und wie drückt sich dies konkret in der realisierten Vergütung – dem Pay for Performance – aus? Dies mag die Kernfrage für institutionelle Investoren sein – doch damit verbunden sind für Unternehmen viele weitere Fragen, die die Ausgestaltung des Berichts über die Vergütung des Vorstandes betreffen.

Regulatorik und Investorenanforderungen zusammenbringen

Nicht alle Fragen lassen sich einfach beantworten. Gibt es zu manchen Aspekten des Vergütungsausweises klare Vorgaben, bietet sich in anderen Bereichen ein großer Interpretationsspielraum. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass der § 162 AktG und die diesbezüglichen Gesetzesmaterialien an manchen Stellen unglücklich formuliert wurden und Unternehmenspraktiker gewisse handwerkliche Schwächen ausgemacht haben. So weicht beispielsweise § 162 AktG in Teilen von den Angaben, die von der Aktionärsrechterichtlinie vorgegeben wurden, ab. Eine gesetzeskonforme Auslegung dieses Paragraphen zu finden und diese gleichzeitig mit Sinn und Zweck der Aktionärsrechterichtlinie und den Investorenerwartungen zusammenzubringen, ist also herausfordernd.

In vielen Fällen bedarf es einer individuellen Analyse und Abwägung, wie das Fundament einer konsistenten und transparenten Berichterstattung aussehen kann.

Insofern können in Vorbereitung auf ein erfolgreiches Say on Pay zum Vergütungsbericht keine allgemeingültigen Antworten gegeben werden. Möglich und sinnvoll indes ist eine Sensibilisierung für die entscheidenden Kernfragen, die Sie sich in der Vorbereitung des Vergütungsberichts stellen sollten.

Kernfragen zum Vergütungsbericht

Die vielen Fragen zur Berichterstattung über die Vorstandsvergütung lassen sich im Wesentlichen in drei Kategorien unterteilen: grundsätzliche formale und inhaltliche Aspekte sowie der umfangreiche Block des Einzelausweises – den individuellen Vergütungshöhen für Vorstand und Aufsichtsrat.

Typische Fragen zu formalen und organisatorischen Aspekten sind u.a.:

  • Ist der Vergütungsbericht weiterhin Teil des Geschäftsberichts?
  • Muss ein separates Dokument erstellt werden?
  • Wo ist der Vergütungsbericht zu publizieren?
  • Wann muss der Vergütungsbericht veröffentlicht werden?
  • Wie lang muss der Vergütungsbericht verfügbar sein?

Hinsichtlich der formalen Fragestellungen gibt es gemäß § 162 AktG einige klare Antworten: So soll der Ort der Publikation des Vergütungsberichts das Internet bzw. die Webseite des Unternehmens sein. Das braucht Unternehmen jedoch nicht davon abhalten, diesen Report auch weiterhin in den Geschäftsbericht aufzunehmen. Hier ist jedoch z. B. mit Blick auf die Prüfung zu entscheiden, ob er im Lagebericht oder in einem separaten Kapitel geführt wird.

Auch bei einer Aufnahme im Geschäftsbericht muss der Vergütungsbericht weiterhin als eigenes Dokument erhältlich und in sich verständlich sein. Dies ist beispielsweise beim Umgang mit Querverweisen zu beachten, die jetzt nur noch schwer möglich sind. Im Sinne der Nachvollziehbarkeit sollte deshalb auch das Vergütungssystem in seinen Grundzügen dargestellt werden.

Klar sollte auch sein, dass der Vergütungsbericht als separater Tagesordnungspunkt einer Hauptversammlung Teil der Einladung sein muss. Dies ist vergleichbar mit dem Systembeschluss zum Vorjahr, wonach auch die Vergütungssysteme komplett in der Einladung abzubilden waren.

Was Ort und Zeit der Veröffentlichung angeht, gibt es keine expliziten Investorenaussagen. Aber alleine im letzten Jahr haben über 400 Unternehmen ihr Vergütungssystem mehr oder minder zeitgleich zur Abstimmung gebracht, was Investoren im Rahmen der recht kurzen HV-Saison zeitlich herausgefordert hat. Wer sich hier nicht gleich von Anbeginn den Groll von Investoren zuziehen will, sollte den Vergütungsbericht nicht auf den letzten Drücker veröffentlichen – und wenn nicht im Geschäftsbericht, dann doch zumindest zeitnah zu diesem, zumal darin bestimmte Restvorgaben des HGB enthalten sein müssen.

Grundsätzliche inhaltliche Aspekte

Mit Blick auf die grundsätzlichen inhaltlichen Aspekte des Vergütungsberichts endet der eindeutige Auslegungsrahmen. So weist das Thema der Leistungskriterien für die variable Vergütung für Investoren im Vergütungsbericht die wohl höchste Bedeutung auf. Sich daraus ergebende Fragen lauten:

  • Wie ist der Bezug zur Unternehmensstrategie herzustellen?
  • In welcher Detailtiefe hat die Erläuterung der Anwendung der Leistungskriterien zu erfolgen?
  • Sind die Leistungskriterien bzw. Zielsetzungen für die variable Vergütung lediglich ex-post oder auch ex-ante offenzulegen?

Ein weiterer inhaltlicher Aspekt ist der der Maximalvergütung, die börsennotierte Unternehmen im Rahmen des Vergütungssystems nach § 87a AktG einführen mussten. Hier sollten sich Verantwortliche mit folgenden Fragestellungen auseinandersetzen:

  • Wie ist über die Einhaltung der Maximalvergütung zu berichten?
  • Welche Definition der Maximalvergütung ist anzuwenden?
  • Ist der bAV-Dienstzeitaufwand im Rahmen der Maximalvergütung zu berücksichtigen?

Aspekte des individuellen Vergütungsausweises

Beispielhaft für die Herausforderungen im Bereich des individuellen Vergütungsausweises sei der Themenkomplex der „gewährten und geschuldeten“ Vergütung genannt. Erfahrungsgemäß herrscht hier hohe Unsicherheit, die nicht zuletzt den wenig praxisnahen Definitionen des Rechtsausschusses geschuldet sind. Zentrale Fragen hier sind u.a.:

  • Erfolgt weiterhin ein Ausweis nach HGB-Logik sowie DCGK-Mustertabellen?
  • Was ist unter „gewährt und geschuldet“ zu verstehen?
  • Die variable Vergütung welchen Geschäftsjahres ist auszuweisen?
  • Wie steht es um die EU-Mustertabellen?
  • Was erwarten Investoren und wie ist ein Anschluss zum bisherigen Ausweis möglich?

Abgesehen vom Umgang mit der betrieblichen Altersversorgung wirft darüber hinaus auch die Zielvergütung Fragen auf: Ist eine Offenlegung überhaupt noch gefordert? Wenn ja, erfolgt dies nach dem Prinzip der DCGK-Mustertabellen oder gemäß des Entwurfs der unverbindlichen EU-Mustertabellen?

Auch die Vergütung von früheren Organmitgliedern muss bedacht werden: Welche Vergütungskomponenten fallen typischerweise unter die gewährte und geschuldete Vergütung früherer Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder? Hat ein Ausweis von Rentenzahlungen für frühere Vorstandsmitglieder zu erfolgen? Für welchen Zeitraum nach Ausscheiden haben die Angaben künftig zu erfolgen?

Schließlich geht es zukünftig beim Vergütungsausweis auch um eine vergleichende Darstellung der Vergütungs- und Ertragsentwicklung:

  • Welche Vergütungsbestandteile sind aufzunehmen?
  • Ist die gewährte und geschuldete Vergütung oder die Zielvergütung anzugeben?
  • Sind die Angaben für den Vorstand und für den Aufsichtsrat personenindividuell zu machen?
  • Ist ein sukzessiver Aufbau der vergleichenden Darstellung zulässig?
  • Welche Ertragskennzahlen sind zu berücksichtigen?

Der Weg zum erfolgreichen Say on Pay führt über den Vergütungsbericht

Fragen wie die oben genannten verdeutlichen eines in jedem Fall: Für ein erfolgreiches Aktionärsvotum benötigt es intensive Vorbereitung, Expertise in puncto regulatorischer Rahmenbedingungen sowie maßgeblicher Investorenerwartungen und nicht zuletzt auch Erfahrung in der praxisnahen Umsetzung.

Prozessual ist für die Gestaltung eines klaren und verständlichen Vergütungsberichts eine frühzeitige Abstimmung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat im Sinne der gemeinsamen Erstellung des Vergütungsberichts sinnvoll. Zudem bedarf es des regelmäßigen Austausches mit Investor Relations. Daneben gilt es, im Sinne eines konsequementen Human Capital Managements (HCM) die HR-Funktion wie auch Arbeitnehmervertretungen bzw. Mitbestimmungsseite einzubinden, um zum Beispiel den erforderlichen Ausweis der Entwicklung der Arbeitnehmervergütung abstimmen zu können.

Auch die Abstimmung mit dem Abschlussprüfer ist hinsichtlich der Klärung der erforderlichen Prüfungstiefe (formell vs. materiell) zentral. Und am Ende geht es auch um organisatorische Abstimmungen wie die Definition des Veröffentlichungsformats (Einladung zur Hauptversammlung).

In der Gesamtschau wird eines deutlich: Stellen Sie sich die richtigen Fragen und beantworten Sie diese mit den hierfür maßgeblichen Ansprechpartnern innerhalb wie außerhalb des Unternehmens. Die hkp/// group unterstützt Sie in diesem Prozess gern – ob als vertrauensvoller Experte in Einzelfragen oder auch in der Gesamtverantwortung, von der Steuerung des Gesamtprojekts bis hin zum eigentlichen Schreiben und Gestalten des Vergütungsberichts.

Autor Regine Siepmann

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