Glass Lewis hat die Proxy Voting Guidelines 2024 für Deutschland sowie Kontinentaleuropa veröffentlicht. Diese treten mit sofortiger Wirkung für die anstehenden Hauptversammlungen in Kraft. Die wesentlichsten Änderungen zum Thema Vergütung im Überblick.

Zeitnahe Umsetzung der Vergütungssysteme

Erwartungshaltung von Seiten Glass Lewis ist, dass Unternehmen neue oder geänderte Vergütungssysteme auch direkt für amtierende Vorstandsmitglieder in Kraft setzen, anstatt diese erst verzögert bei Vertragsverlängerungen und Neubestellungen umzusetzen. Dieses Vorgehen widerspricht der rechtlichen Betrachtung, welche die Einhaltung bestehender Verträge ermöglicht.

Glass Lewis begründet dies damit, dass die gleichzeitige Umsetzung eines geänderten Vergütungssystems für alle Vorstandsmitglieder die Transparenz fördert und komplexe Anreizsysteme mit sich überschneidenden oder sogar widersprechenden Incentivierungen vermeidet. Dies würde es Aktionären zudem erleichtern, das in jedem Jahr angewandte System nachzuvollziehen.

Sofern das neue Vergütungssystem eine Reaktion auf zuvor von den Aktionären geäußerte Kritik darstellt, könnte eine nur teilweise oder gestaffelte Umsetzung außerdem dazu führen, dass die Bedenken der Aktionäre in der unmittelbaren Zukunft nur teilweise berücksichtigt werden, während einigen Vorständen für die verbleibende Dauer der laufenden Verträge weiterhin Vergütungselemente gewährt werden, die von den Aktionären kritisiert wurden.

Die Entscheidung eines Unternehmens für eine gestaffelte Implementierung des neuen Vergütungssystems stellt noch keinen direkten Ablehnungsgrund für das Vergütungssystem dar. Glass Lewis erwartet von Unternehmen in diesen Fällen, dass offengelegt wird (i) welche Änderungen für welche Vorstandsmitglieder umgesetzt wurden, (ii) welche Änderungen nicht umgesetzt wurden und warum und (iii) den Zeitplan für die Umsetzung der Änderungen für die weiteren Vorstandsmitglieder. Die Entscheidung für das gestaffelte Vorgehen ist insgesamt detailliert zu begründen.

Insgesamt wird an mehreren Stellen der Guideline darauf hingewiesen, dass Unternehmen erläutern sollen, wie sie mit dem Feedback ihrer Investoren umgegangen sind – nicht nur zum Vergütungssystem, sondern auch zum Vergütungsbericht.

Ausweis der erdienten Vergütung im Vergütungsbericht

Nach den Diskussionen um die Auslegung des § 162 AktG zur gewährten und geschuldeten Vergütung und der Klarstellungen durch das Fragen und Antworten-Papier des IDW bezieht nun auch Glass Lewis eine deutliche Position zur gewünschten Ausweislogik im Vergütungsbericht.

Unternehmen sollen im Vergütungsbericht die im Berichtsjahr erdiente Vergütung ausweisen. Hierbei handelt es sich um Vergütung, deren Leistungskriterien erfüllt wurden und die nun als unverfallbar angesehen wird (Variante 2 des IDW-Q&A) .

Nach Ansicht von Glass Lewis trägt der Ausweis nach Erdienungslogik dazu bei, eine erhöhte Vergleichbarkeit mit internationalen Branchen-Peers herzustellen und den Bezug zur Performance im Berichtsjahr darzustellen.

Falls die im Berichtsjahr erdiente Vergütung sowie Informationen zur erwarteten Zielerreichung und den resultierenden Auszahlungsbeträgen nicht angegeben werden, ist eine überzeugende Begründung hierfür erforderlich. Sofern keine überzeugende Begründung von dem Unternehmen gegeben wird, erwägt Glass Lewis eine Empfehlung gegen die Billigung des Vergütungsberichts.

Zudem werden Unternehmen angehalten, signifikante Vergütungserhöhungen für Vorstand und Aufsichtsrat im Vergütungsbericht zu erläutern und detailliert zu begründen. Fehlt eine überzeugende Begründung, kann der Vergütungsbericht abgelehnt werden. Dabei ist zu beachten, dass eine reine Argumentation auf Basis eines Benchmarks grundsätzlich nicht als hinreichende Begründung gewertet wird.

Erläuterungen zur Vergleichsgruppe für das Benchmarking, insbesondere bei US-Peers

Unternehmen sollen beim Benchmarking von Vergütungshöhen die Peer Group sowie die Kriterien für die Auswahl offenlegen. 

Sofern US-Peers für den Marktvergleich genutzt werden, sollen die Unternehmen detailliert darlegen, welche Umstände dazu geführt haben. Aus dieser Empfehlung zeigt sich eine gewisse Skepsis, was die Berücksichtigung von US-Peers für deutsche bzw. kontinentaleuropäische Vorstände angeht. Unternehmen sollten daher auf die individuellen Gegebenheiten eingehen: z. B. mehrere Börsennotierungen, geografische Verteilung der Geschäftstätigkeit, Umsatz oder Mitarbeiter des Unternehmens oder branchenspezifische Besonderheiten in Bezug auf die Gewinnung und Bindung von Talenten. Auf dieser Basis sollte erläutert werden, warum US-Peers berücksichtigt werden. 

Empfehlung von Share Ownership Guidelines

Glass Lewis hat in den neuen Kontinentaleuropäischen Guidelines erstmals einen Abschnitt zu Aktienhaltevorschriften aufgenommen. Diese sollen dem Angleich der Interessen zwischen Vorstandsmitgliedern und Aktionären dienen. Vorstandsmitglieder sollen dementsprechend verpflichtet werden, innerhalb einer definierten Zeitspanne eine bestimmte Anzahl von Aktien zu erwerben, die einem Vielfachen ihres Grundgehalts entsprechen. Diese Aktien sind mindestens für die Dauer ihrer Amtszeit zu halten. 

Fazit 

Vor dem Hintergrund dieser Empfehlungen von Glass Lewis und dem sofortigen Inkrafttreten sollten Unternehmen ihre aktuelle Ausweispraxis für den Vergütungsbericht überdenken. Insbesondere bei den Informationen zum Benchmarking hinkt die aktuelle Ausweispraxis der internationalen Best Practice teilweise noch hinterher.

Die turnusgemäß anstehende erneute Abstimmung zu den Vergütungssystemen in 2025 geht mit der Erwartung einer schnellen Umsetzung in den Dienstverträgen einher. Angesichts dessen sollte der Aufsichtsrat sich frühzeitig mit möglichen Änderungen des Vergütungssystems befassen. Dabei sollte das bisherige Feedback des Kapitalmarkts berücksichtigt sowie auch die zukünftige strategische Ausrichtung abgebildet werden. 

Bei Fragen zur Auslegung der aktuellen Neuerungen in den Abstimmungsrichtlinien von Glass Lewis oder sonstigen Forderungen von Investoren mit Blick auf Fragen guter Corporate Governance, insbesondere im Zulaufen auf die mit Spannung erwartete Hauptversammlungssaison und ihren zahlreichen Abstimmungen zu den Vergütungssystemen des Vorstands, stehen Ihnen die Corporate Governance Beraterinnen und Berater der hkp///group gern zur Verfügung.

Autor Nina Grochowitzki

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