• hkp/// group Analyse belegt sinkende Akzeptanz von Investoren zu Vergütungsberichten von DAX-Unternehmen
  • Unternehmen weiter ohne regulatorischen Standard im Vergütungsausweis
  • Zum Teil deutliche Verbesserung bei Problemfällen aus 2022: Bayer, Continental, Commerzbank, Symrise und Zalando

Frankfurt am Main, 19 Juni 2023. Der traditionelle Rückblick auf die Abstimmungen zu den Vergütungsberichten der führenden börsennotierten Unternehmen in Deutschland durch die Corporate Governance Berater der hkp/// group ergibt für die Hauptversammlungssaison 2023 ein durchwachsenes Bild: Über alle DAX-Unternehmen, die bereits ihre Hauptversammlung abgehalten haben, hinweg zeigt sich eine Zustimmungsquote durch Investoren von durchschnittlich 87,3 %. Dieser Wert entspricht einem Anstieg in der Akzeptanz von rund 3 % gegenüber dem Vorjahr. Die höchsten Zustimmungen verzeichnen Sartorius (99,3 %), Siemens Healthineers (98,7 %) und Volkswagen (98,5 %). Am Ende des DAX-Vergleichs finden sich adidas (67,9 %), Zalando (55,8 %) und Bayer (52,3 %). Im Unterschied zum Vorjahr sieht sich kein Unternehmen aus dem DAX-Kreis mit einer Zustimmung seiner Investoren von unter 50 % konfrontiert. 

Der auf den ersten Blick positive Gesamteindruck ist aber zu relativieren. So ist die Investoren-Zustimmung zur Vergütungspublizität bei der Hälfte der DAX-Unternehmen rückläufig. Hinzu kommt: 2022 wurden Bayer, Continental, Commerzbank, Symrise und Zalando in der Abstimmung über ihren Bericht über die Vergütung im Geschäftsjahr 2021 abgestraft. Die Kritikpunkte der Investoren wurden in diesem Jahr offensichtlich umgesetzt, wie die aktuellen Zustimmungswerte zeigen. Diese haben sich insbesondere bei Bayer (von 24,1 % in 2022 auf 52,3 % in 2023), Symrise (von 52,9 % auf 89,9 %) sowie Commerzbank (von 59,9 % auf 85,8 %) deutlich verbessert. Allein Zalando musste im Vergleich zum Vorjahr weitere Einbußen hinnehmen (55,8 % vs. 60,3 % im Vorjahr). Klammert man die Zustimmungsquoten der deutlich verbesserten „Nachsitzer“ aus der aktuellen Statistik aus, ergibt sich bei der durchschnittlichen Zustimmung zum Vergütungsbericht in DAX-Unternehmen eine negative Tendenz (-0,5 %).

Regine Siepmann, Senior Partner und Leiterin der Corporate Governance Practice bei hkp/// group sieht in dieser durchwachsenen Bilanz eine schleichende Erosion der Akzeptanz von Vergütungsberichten. „Die Zustimmung der Investoren zu den Vergütungsberichten sollte angesichts bekannter Anforderungen und mittlerweile eingeübter Praxis eigentlich zunehmen – das tut sie aber nicht. Die Ursachen dafür sind in der Regel unternehmensspezifisch, indem entweder Kritik an dem zugrundeliegenden System oder seiner konkreten Anwendung durch den Aufsichtsrat besteht.“ Zudem, so Siepmann, nutzen Investoren die Diskussion um Vergütungssysteme und -berichte immer wieder als Hebel, um ihre Vorstellungen auf anderen Feldern durchzusetzen.

Ursachen für eine geringe Investoren-Akzeptanz

Die Gründe für schwankende Zustimmungsquoten zu Vergütungsberichten sind sehr vielfältig. Allerdings kristallisieren sich auf Basis der vorliegenden hkp/// group Analyse folgende Faktoren übergreifend heraus:

  • Investoren wollen Transparenz. Dieser Forderung mit einem Maximum an Text und Zahlen zu begegnen, provoziert gegenteilige Effekte. Erforderlich sind sinnvolle und übersichtliche Informationen in Form von Grafiken, Texten und Tabellen.
  • Investoren wollen Vergleichbarkeit – und das nach global geltenden Standards. Unternehmen, die in ihren Vergütungen Kennzahlen nutzen, die nicht internationalen Standards entsprechen, ernten dafür die entsprechende Kritik.
  • Investoren schätzen Konsistenz in der Kapitalmarktkommunikation. Zu den aus ihrer Sicht schwerwiegendsten Kritikpunkten zählt, wenn in der Vorstandsvergütung zu wenig ambitionierte Ziele gesetzt oder solche Vorgaben gemacht werden, die unter der veröffentlichten Guidance für den Kapitalmarkt bleiben.
  • Investoren stören Ermessensentscheidungen des Aufsichtsrats im Vergütungskontext vor allem dann, wenn sie nicht oder nicht schlüssig begründet werden. Mangelnde Nachvollziehbarkeit in diesem Aspekt ist ein häufig anzutreffender Kritikpunkt.
  • Anders als für die breite Öffentlichkeit stellt die Höhe der Managergehälter in der Regel kein Problem für Investoren dar. Für sie ist in den Regelsystemen insbesondere die Nachvollziehbarkeit von Pay for Performance wichtig. Kritisch wird es bei deutlichen Vergütungserhöhungen ohne ausreichende Begründung oder außerordentlichen Zuwendungen beispielsweise im Falle von Abfindungen, Sign-on-Prämien oder Sonder-Boni. Wird hier aus ihrer Sicht unangemessen agiert, schlägt sich das unmittelbar in den Abstimmungsergebnissen nieder. 

Kernproblem Auslegungshilfen zur Regulatorik – Unternehmen allein gelassen

Ein Ziel der Umsetzung der zweiten europäischen Aktionärsrechterichtlinie war die Gewährleistung eines einfachen Zugangs zu den relevanten Informationen in der Vorstandsvergütung eines Unternehmens. „Diese Ambitionen sind krachend gescheitert“, bilanziert Corporate Governance Beraterin und hkp/// group Partner Nina Grochowitzki. 

Als Hauptgrund führt sie die Auslegungsvarianten des Aktiengesetzes durch das Institut der Wirtschaftsprüfer IDW in puncto “gewährter und geschuldeter Vergütung“ an, die bis heute für erhebliche Verwirrung sorgen. So hat sich die große Mehrheit der DAX-Unternehmen entschieden, die im Jahr erdienten Bezüge zu zeigen, also im Einklang mit dem Bericht über die Geschäftsergebnisse, auch wenn sie noch nicht auf dem Konto des Vorstands gelandet seien. Die wenigen Unternehmen, die den durch das IDW ursprünglich eingeschlagenen Weg der im Jahr zugeflossenen Bezüge gegangen sind, haben zusätzlich die erdiente Vergütung gezeigt. „Andernfalls wäre eine Ablehnung des Vergütungsberichts auf der Hauptversammlung sicher gewesen“, so Grochowitzki. 

Die Vergütungspublizität hat durch die Gesetzesnovelle insgesamt erheblich gelitten. „Unsere international führende Transparenz, nicht zuletzt gewährleistet durch die früheren Mustertabellen für den Vergütungsausweis im DCGK, ist passé. Unternehmen folgen beliebigen, selbst entwickelten Standards, jede Tabelle sieht anders aus. Den für die Pay-for-Performance-Bewertung zentralen Abgleich zwischen Geschäftsergebnissen und Vergütung nachzuverfolgen, ist schwieriger denn je“, umschreibt hkp/// group Corporate Governance Beraterin Siepmann die Situation. 

Die durch den deutschen Gesetzgeber und die DCGK-Kommission geschürte Hoffnung auf einen verbindlichen Standard im Vergütungsausweis auf europäischer Ebene haben die hkp/// group Corporate Governance Beraterinnen aufgegeben. „Der Zeitplan ist längst fern jeder Planung. Und wenn die europäischen Vergütungstabellen kommen, werden sie nicht der deutschen Marktpraxis entsprechen – und damit keine Lösung der aktuellen Problematik sein. Die Unternehmen stehen also weiter allein im Regen“, so Regine Siepmann. 

Siehe auch den exklusiven Beitrag "Vergütungsvotum als Druckmittel der Aktionäre" in der Börsen-Zeitung vom 21.06.2023.

 

Kontakt für die Medienarbeit

Autor Regine Siepmann

Sie möchten mehr zum Thema wissen?

Vereinbaren Sie einen (Telefon-) Termin mit Regine Siepmann