Das hkp/// group Transformation Lab hat Entscheiderinnen und Entscheider aus dem HR-Management vor kurzem zu einem Austausch zu Aspekten des Auf-, Ab- und Umbaus in und von Unternehmen zusammengeführt. hkp.com sprach mit Petra Knab-Hägele und Johannes Brinkkötter über Ihr Resümee zum Event und den darin geäußerten Positionen in puncto Transformation.

Frau Knab-Hägele, Herr Brinkkötter, Transformation droht zur Floskel zu werden und benennt gleichzeitig alles und nichts. Worum geht es genau beim Thema Transformation? 

Petra Knab-Hägele: Um wettbewerbsfähig zu werden bzw. zu bleiben, haben sich Unternehmen schon immer an veränderte Rahmenbedingungen angepasst und gewandelt – zum Teil auch drastisch. Denken Sie nur an Nokia, das einst im finnischen Markt Gummistiefel herstellte, dann zum Weltmarktführer bei Mobiltelefonen wurde und heute als globaler Netzwerkausrüster agiert. Aber waren das bislang eher abgegrenzte Phasen, befinden sich Unternehmen heute in einem permanenten Wandel bei einer gleichzeitig höheren Veränderungsgeschwindigkeit. Wenn wir von Transformation sprechen, meinen wir die erforderliche Veränderung einer Organisation hin zum gewünschten strategischen Zielbild. 
Johannes Brinkkötter: … und dieses Zielbild unterliegt im Übrigen selbst vielfältigsten dynamischen Einflüssen und hat längst nicht mehr die Stabilität, wie wir es aus früheren Zeiten kennen. Um es zu erreichen, müssen Unternehmen bestehende Unternehmensstrukturen verändern oder zurückfahren bzw. neue Geschäftsfelder hinzunehmen bzw. erschließen – eben Aufbau, Abbau oder Umbau, und das immer öfter auch in verschiedenen Geschäftsfeldern gleichzeitig. 

Worin sehen Sie die Ursachen für diese Dynamisierung des unternehmerischen Umfelds?

Petra Knab-Hägele: Neben der Digitalisierung als dem wohl vordergründigsten Treiber für strukturelle Veränderungen gibt es noch eine Reihe anderer, deren Wucht kontinuierlich durch die immer rascher und breiter erfolgende Digitalisierung unserer Lebens- und Arbeitswelt zugenommen hat. Punktuell hat natürlich auch die Corona-Pandemie als Verstärker dieser Dynamik gewirkt.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Treiber?

Petra Knab-Hägele: Wir erleben derzeit einen Trend zu einer stärkeren Individualisierung und Kundenzentrierung, also der Anforderung, Produkte und Dienstleistungen stärker denn je aus Kundenperspektive zu denken und flexibler auf die individuellen Bedürfnisse von Kunden einzugehen. 
Johannes Brinkkötter: Auch geht es Unternehmen heute nicht mehr nur um die Optimierung von Prozessen, die Senkung von Kosten oder die Maximierung von Gewinnen, sondern vielmehr auch um nachhaltiges, umweltbewusstes und resilientes Wirtschaften. Investoren und Regulatoren haben diesbezüglich inzwischen dezidierte Anforderungen. Hinzu kommt: Die Corona-Pandemie hat den Trend zu New Work unumkehrbar gemacht und ein demographisch bedingter Arbeitnehmermarkt zwingt Unternehmen in Mitarbeiter-fokussierte Arbeitswelten im Sinne einer attraktiven Symbiose von Leben und Arbeiten  in zunehmend agilen Arbeitswelten.

Inwiefern haben die auf dem hkp/// group Transformation Lab präsentierten Fallbeispiele die von Ihnen dargelegten Entwicklungen gespiegelt? Wurden hier ideale Transformationszenarien präsentiert?

Johannes Brinkkötter: Wenn es eine zentrale Erkenntnis aus unseren Transformationsprojekten wie auch aus unserer Konferenz gibt, dann die, dass es hier keinen Standard gibt. Jedes Unternehmen ist besonders, jedes Geschäftsmodell ist individuell, ebenso die konkreten Rahmenbedingungen und Zielstellungen. Entsprechend vielfältig waren auch die spezifischen Ausführungen von Bosch Power Tools, Zur Rose Group und von Siemens Energy auf der Veranstaltung. 

Können Sie die wesentlichen Linien der Herausforderungen dieser Unternehmen umreißen?

Petra Knab-Hägele: Siemens Energy hat mit dem Carve out aus dem Siemens-Konzern und dem kurz darauf erfolgten Börsengang einen Gewaltritt angetreten, der erfolgreich gestartet ist, aber noch immer anhält, wobei sich die Aufgaben im Lauf der Zeit natürlich wandeln. Speziell mit Blick auf die Herausforderungen von HR steht heute wie damals neben dem Aufbau neuer Strukturen die Harmonisierung und Standardisierung von Prozessen und Tools im Blickpunkt, wie nicht zuletzt die Ausführungen von Peter Dodell unterstrichen, der im Konzern als Vice President die Themen Standardisation & Harmonisation verantwortet.
Johannes Brinkkötter: Bei Zur Rose Group handelt es sich ursprünglich um einen Schweizer Arzneimittelvertrieb, der sich durch starkes organisches und anorganisches Wachstum nach dem Börsengang den Status als Europas größte Online-Apotheke mit der Marke Doc Morris erarbeitet hat. Als hkp/// group hatten wir die Freude, die Entwicklung und Umsetzung der Funktionalstrategie zu begleiten. Dass das Unternehmen sich nun entschieden hat, sich auf das Endkundengeschäft und die Einführung des elektronischen Rezepts insbesondere in Deutschland zu fokussieren und das Schweiz-Geschäft an den Schweizer Migros-Konzern zu verkaufen, kann dabei als Beleg für den Handlungsdruck und Veränderungsdrang unserer Zeit gesehen werden. Und die Entscheidung ist auch – so Thomas Biegerl, Programm-Manager bei Zur Rose Group –  Startschuss für einen Wandel im Geschäftsmodell und damit auch für ein HR, das für sich Employee Centricity als zentralen Erfolgsfaktor definiert hat.
Petra Knab-Hägele: Luisa Brandt, Global Head of HR bei Bosch Power Tools, zeichnete ihrerseits ein sehr klares Bild davon, welche Veränderungsbereitschaft und welchen Transformationswillen es braucht, um als erfolgreiches Markenunternehmen mit Weltrang auch zukünftig wettbewerbsfähig und agil zu bleiben. Auch wenn in diesem intensiven Prozess nicht alle Wünsche in Erfüllung gingen und die Agilisierung der Organisation in über 50 Schnellboote Risiken beinhalte, unterstrich sie: Der Wandel ist unausweichlich, die Reaktion drauf ist entscheidend.

Bei aller Unterschiedlichkeit der geschilderten Projekte, gab es keine Gemeinsamkeiten?

Johannes Brinkkötter: Die gab es durchaus. Ich würde dazu in erster Linie die entscheidende Rolle der People Funktion zählen: Wenn HR mit im Fahrerhaus der Transformation sitzt, dann ist die grundsätzliche Voraussetzung dafür geschaffen, dass die Perspektiven und Bedürfnisse von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern frühzeitig und angemessen berücksichtigt werden. Und ohne sie kann nun mal keine Transformation dieser Welt erfolgreich sein. 
Petra Knab-Hägele: Ich würde auch Mut als zentralen Erfolgsfaktor von Transformationen sehen, Mut zum Handeln generell, aber auch zur Implementierung agiler Prozesse und zum Einsatz moderner, nicht selten KI-basierter Tools durch HR. 
Johannes Brinkkötter: Auch Themen wie Nachhaltigkeit und ESG spielen eine wichtige Rolle, sie sind inzwischen zum Bestandteil jeder HR-Funktionalstrategie geworden, die heute in vielen Unternehmen in erster Linie auf die Unterstützung bzw. Umsetzung der Unternehmenstransformation fokussiert. 

Welche Rolle spielt in diesen Transformationsszenarien die HR-Funktion konkret?

Johannes Brinkkötter: Eine doppelte! Auch die HR-Funktion muss sich mit Blick auf das neue Zielbild wandeln, muss strategische Prioritäten definieren wie auch das eigene Portfolio an Instrumenten samt Delivery Model auf den Prüfstand stellen und anpassen. Zum anderen ist HR der maßgebliche Begleiter und Umsetzer von Veränderungen, im Idealfall der gefragte Moderator an der Seite der Unternehmensleitung. Mit der entsprechenden Transformationskompetenz ist eine leistungsfähige und gruppenweit aufgestellte HR-Funktion unverzichtbar. 

Was sind konkrete Aufgaben und Herausforderungen für HR, die sich aus den unterschiedlichen Formen der Transformation ergeben?

Petra Knab-Hägele: Die Palette an Aufgaben für HR in der wirksamen Unterstützung und Begleitung von Transformationsprojekten ist breit, vielfältig und unterscheidet sich, wie schon gesagt, von Projekt zu Projekt. 

Welche Anforderungen sind die aus ihrer Sicht wichtigsten?

Petra Knab-Hägele: Beginnen wir bei der Unternehmensvision und Kultur. Hier gilt es für HR, entlang der neuen Geschäftsstrategie und basierend auf den Vorgänger-Kulturen eine neue, glaubhafte Identität im Unternehmen zu schaffen. Dies ist kein Schalter, sondern ein langwieriger Prozess, der immer auch mit der Führungskultur verbunden sein muss. 
Johannes Brinkkötter: Anknüpfend an das Thema Führungskultur ist Leadership ein zentraler Aspekt, sprich die Neubesetzung und Unterstützung der wichtigsten Management-Positionen im neuen Unternehmen. Im Mittelpunkt steht die Formulierung der Werte, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten des Führungspersonals, einschließlich relevanter Maßnahmen zur Bindung und Incentivierung sowie Führungskräftetrainings. 

Bindung und Incentivierung sind bei Veränderungsprozessen immer entscheidend…

Johannes Brinkkötter: Zweifelsohne! Generell sind effektive Talent-Management-Prozesse und -Systeme zu entwickeln, die sicherstellen, dass kurz-, mittel- und langfristig die richtigen Personen mit den erforderlichen Fähigkeiten in den richtigen Rollen wirken. Transformationen bieten vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten, führen jedoch auch zu Enttäuschungen. Daher sind Chancen und Risiken für Laufbahnen, insbesondere bei Inhabern erfolgskritischer Rollen, im Spiegel der modifizierten Unternehmensziele neu zu bewerten und zu vermitteln.
Petra Knab-Hägele: Diese Neuausrichtung gilt auch für die Vergütung von Mitarbeitenden und Führungskräften. Vergütung ist stets Ausdruck der Strategie und Kultur eines Unternehmens. Sie kann die Transformation und die angestrebte Unternehmenskultur unterstützen. Daher stehen auch alle Vergütungssysteme in der Transformation auf dem Prüfstand. Wieviel kollektiver Anteil ist der richtige? Welche Rolle soll individuelle Perfomance in der Vergütung spielen? Wie soll permanentes Lernen Berücksichtigung in der Vergütung finden? Entspricht die Vergütung im Top-Management den gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen? Ist sie nach wie vor angemessen? 

In Transformationen geht es oft um einen neuen Zuschnitt von Bereichen, die veränderte Dimensionierung von Funktionen etc. Welche Bedeutung messen Sie diesen Themen bei?

Petra Knab-Hägele: Eine sehr hohe! Die Neuausrichtung von Geschäfts- und Stabsbereichen auf das veränderte Unternehmen ist in der Regel Bestandteil eines jeden Transformationsprojekts, ebenso der Abgleich von IST- und SOLL-Personalbeständen hinsichtlich Quantität und Qualifikation. Wie steht es um die aktuelle Besetzung dieser Positionen? Wo gibt es Klärungsbedarf und in welchen Bereichen oder Ländern müssen Stellen neu bzw. erst besetzt werden? Was ist unsere angestrebte Zielstruktur und Zusammensetzung im Management? 
Johannes Brinkkötter: Die Strategie-basierte Neuordnung von Funktionen, Strukturen und Abläufen im Hinblick auf Ausstattung, also Menge und Kosten, gilt dann auch im gleichen Maß für die Dimensionierung und Organisation von HR selbst.

Abschließend: Was sind die maßgeblichen Erfolgsfaktoren für ein erfolgreiches Agieren von HR in Transformationsprojekten?

Petra Knab-Hägele: Es braucht ein klares Zielbild für das neue bzw. modifizierte Unternehmen. Ist dies nicht gegeben, ist es an HR, dieses von der Unternehmensleitung einzufordern bzw. dieses kooperativ mit zu entwickeln. Abgeleitet daraus ist eine entsprechende Planung und Priorisierung von Maßnahmen unerlässlich: Welche Produkte zahlen auf die HR Strategy ein? Wie sieht eine effiziente, Mitarbeiter-zentrierte HR-Organisation aus?
Johannes Brinkkötter: Und auch, wenn es altbacken klingt: Wichtigster Erfolgsfaktor in Veränderungsprojekten sind die Menschen. Mitarbeitende und Führungskräfte müssen zielgruppenspezifisch abgeholt und mitgenommen werden. Nur so gelingt – je nach Aufgabenstellung – die Integration bzw. der kulturelle Wandel.  

Frau Knab-Hägele, Herr Brinkkötter, vielen Dank für das Gespräch!

Autor Petra Knab-Hägele

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