Von der Pandemie zur Energiekrise mit steigender Inflation – Unternehmen aller Branchen waren und sind in den letzten Jahren stetigen Herausforderungen ausgesetzt. Banken sehen sich dabei in einer Doppelrolle als Betroffene aber auch als finanzielle Basis von Wirtschaft und Gesellschaft stets besonders im Fokus. Welchen Einfluss haben und hatten die jüngsten Krisen auf die Vergütungspraktiken von Instituten in Deutschland? Erkenntnisse dazu erörtern die hkp/// group Experten Isabel Jahn und Jonas Beier auf Basis des hkp/// group Top Banken Survey im Gespräch mit hkp.com.

Frau Jahn, Herr Beier, welche Zusammenhänge lassen sich zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und Vergütung in Banken beobachten?  

Isabel Jahn: Banken verzeichneten in 2020 zusätzlich zu allen internen Herausforderungen durch die Corona-Pandemie ein riesiges Anfragenvolumen bei Krediten und Finanzhilfen. Aus unterschiedlichsten Gründen konnten die Top 30 Institute in dem Jahr allerdings nicht mit ihren Bilanzdaten glänzen. Das EBT sank im Median auf 181 Mio. Euro, ein deutlicher Rückgang gegenüber den Vorjahren. Und das machte sich auch bei der variablen Vergütung bemerkbar.
Jonas Beier: Unsere Analysen zeigen, dass die für die Festlegung der variablen Vergütungen gemessene Unternehmenskomponente 2020 gegenüber 2019 um durchschnittlich 18 Prozent eingebrochen war. 

… was im Vergleich zur Industrie moderat ist. Zudem ging es wirtschaftlich zügig wieder bergauf!

Isabel Jahn: Das kann man so sagen. Im Jahr 2021 wurde im Median unter den Top 30 Instituten wieder ein EBT in Höhe von 303 Mio. Euro erwirtschaftet. Die Unternehmenskomponente in der variablen Vergütung stieg entsprechend. Die von uns im Rahmen des Surveys befragten Institute gaben für 2021 ein durchschnittliches Plus von 46 Prozent gegenüber dem Vorjahr an.

Ist diese Entwicklung auch an der Vorstandsvergütung abzulesen? 

Jonas Beier: Absolut. Analog zur wirtschaftlichen Entwicklung fielen auch hier die variablen Vergütungen für das Geschäftsjahr 2020 signifikant geringer aus, stiegen 2021 hingegen ebenso deutlich wieder an. Vorstandsvorsitzende der Top 30 Institute erhielten 2021 im Median eine Direktvergütung in Höhe von 1.351.000 Euro. Auch Ordentliche Vorstandsmitglieder kamen mit 958.000 EUR im Median der Millionengrenze sehr nahe. 

Was ist der Grund für diesen stetigen Aufwärtstrend? 

Isabel Jahn: Der Anstieg ist einerseits auf bessere Ergebnisse zurückzuführen, aber auch der durch den Brexit verursachte Wandel in der Bankenlandschaft trägt dazu bei. Viele internationale Großbanken haben ihre Europa-Niederlassungen nach Deutschland verlagert. Mit Goldman Sachs, JP Morgan, State Street und UBS Europe zählen vier Unternehmen zu den Top 30 Instituten in Deutschland, die hier vor einigen Jahren noch mit deutlich kleineren Einheiten vertreten waren. Das hat auch Konsequenzen für Vergütungsvergleiche.
Jonas Beier: Die neue Zusammensetzung der Top 30 Institute spiegelt sich auch im steigenden Abstand der Vergütungen von Vorstandsvorsitzenden und Ordentlichen Vorstandsmitgliedern wider, der in internationalen Instituten besonders stark ausgeprägt ist. Dieser Abstand beträgt aktuell 53 Prozent. Ebenfalls dazu beigetragen hat das gute Geschäftsjahr, in dessen Konsequenz Vorstandsvorsitzende höhere Zielwerte in der variablen Vergütung erhalten haben und so stärker von der positiven wirtschaftlichen Entwicklung profitieren konnten. 

Welche Rolle spielt die variable Vergütung, hält der Trend zu höheren Fixvergütungen an?

Isabel Jahn: Deutschland verzeichnet im europäischen Vergleich strukturell schon länger hohe Fixvergütungsanteile, wie nicht zuletzt der High Earner Report der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) darlegt. Der Anteil der variablen Vergütungen ist in deutschen Instituten zuletzt kontinuierlich geschrumpft. 2021 sorgten deutlich höhere Zielerreichungen hier aber für einen neuerlichen Anstieg. 
Jonas Beier: Im Median beträgt der Anteil der variablen Vergütung an der Direktvergütung für Vorstände der Top 30 Institute zwischen 31 und 35 Prozent und liegt damit 6 und 14 Prozent über dem Niveau des Vorjahres. 

Wie sieht es auf den Ebenen direkt unterhalb des Vorstands aus?

Jonas Beier: Hier stiegen die Fixvergütungen lediglich um etwa 2 bis 3 Prozent, während sich die variablen Bezüge sehr deutlich erhöhten. Auf Bereichsleiterebene führte dies zu einem Plus von mehr als 13 Prozent. Die Direktvergütung steigt auf einen Median von rund 324.000 EUR. Auf Abteilungsebene ergibt sich bei den Direktvergütungen ein Anstieg von sieben Prozent auf einen Medianwert von rund 200.000 EUR.

Was hat sich bei der intensiv diskutierten Vergütung von Risikoträgern getan? 

Jonas Beier: Während der Anteil der Risikoträger auf Bereichsleiterebene bei annähernd 100 Prozent liegt und hier eine Differenzierung zwischen Risikoträgern und Nicht-Risikoträgern nicht möglich ist, wird in etwa nur jeder zweite Abteilungsleiter als Risikoträger identifiziert. Hier zeigen sich auch entsprechende Vergütungsunterschiede: Die Grundvergütung von Risikoträgern fällt unter Abteilungsleitern um fast fünf Prozent höher aus als bei Nicht-Risikoträgern, in der Direktvergütung sind es mehr als sechs Prozent. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass es sich hier um Funktionen in für Banken wesentlichen Geschäftsbereichen handelt.

Die variable Vergütung von Risikoträgern in bedeutenden Instituten unterliegt zusätzlichen Anspruchs- und Auszahlungsbedingungen. Was lässt sich in dem Bereich feststellen?

Isabel Jahn: Auf Bereichsleiterebene steigt der Anteil der Risikoträger mit einer variablen Vergütung oberhalb von 50.000 Euro, also der Grenze, ab der die zusätzlichen Bedingungen greifen, auf 70 Prozent – ein Anstieg von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auf Abteilungsleiterebene erhöht sich der Anteil auf 26 Prozent. Insgesamt beträgt der Anteil der Risikoträger, welche eine variable Vergütung über dem Schwellenwert erhalten, nun etwa ein Viertel.

Jonas Beier: Für Risikoträger, die die 50.000 Euro Grenze überschreiten, ist das gute Geschäftsjahr sowohl Fluch als auch Segen. Zwar erhalten sie am Ende des Tages mehr Geld, ihre variable Vergütung unterliegt aber den verschärften Anforderungen an die Risikoadjustierung. Zu diesen zählen für einen Großteil der variablen Bezüge deren Aufschub und die Gewährung in Instrumenten wie Aktien oder gleichwertigen Beteiligungen, die rückwirkende Überprüfung der Zielerreichung und zusätzliche Malus- und Clawback-Bedingungen.

Inwiefern schlägt sich die deutlich verbesserte Performance der Institute auf die Vergütung im mittleren Management nieder?

Jonas Beier: Der Anteil der variablen Vergütung und damit auch der Einfluss eines guten oder schlechten Geschäftsjahres auf die Vergütung ist im Middle Management natürlich geringer als im Top Management. Dennoch sieht man auch hier einen Trend nach oben. Während die Grundvergütungen der Senior Professionals und der Professionals um drei bzw. fast zwei Prozent anstiegen, erhöhen sich die Direktvergütungen in beiden Fällen um rund vier Prozent. Absolut liegen die Direktvergütungen auf Ebene der Senior Professionals im Median bei rund 133.000 EUR, bei Professionals sind es rund 103.000 EUR. 

Macht sich bereits die Rekordinflation in der Vergütung bemerkbar?

Jonas Beier: Im Tarifbereich der privaten Banken wurde im April 2022 eine Einigung bezüglich der Vergütung bis 2024 erzielt. Die damals verhandelten fünf Prozent Gehaltssteigerung könnten aber im Lichte des Inflationsverlaufs für erneuten Gesprächsbedarf sorgen. Und für den Vergütungserhöhungsprozess im außertariflichen Bereich sind noch nicht alle Entscheidungen getroffen. Unsere Umfragen deuten aber darauf hin, dass die Inflation im Abgleich mit der Geschäftsentwicklung eine zentrale Rolle bei der Definition des Budgets für die kommenden Gehaltsrunden spielen wird.

Isabel Jahn: In dem Zusammenhang wird aktuell auch die freiwillige, steuer- und abgabenfreie Inflationsprämie von bis zu 3.000 EUR stark diskutiert. Hier mehren sich Meldungen zu Unternehmen, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine entsprechende Prämie zusprechen. In unseren Erhebungen geben auch einige Unternehmen an, solche Zahlungen noch zu planen, wobei Höhe und Umsetzung deutlich variieren.

Welche Auswirkungen hat die aktuelle Diskussion zu ESG und Nachhaltigkeit auf Vergütungshöhen und -praktiken in den Instituten?

Isabel Jahn: Die Aktivitäten zur Gewährleistung einer diskriminierungsfreien und nachhaltigen Vergütungspraxis nehmen stetig zu. Hier gibt es auch für Banken und Finanzdienstleister keinen Weg daran vorbei. Die diesbezüglichen Nachfragen nach einer Begleitung in der Analyse und Behebung von spezifischen, nicht gerechtfertigten Vergütungsunterschieden nehmen zu. Zudem werden Überlegungen diskutiert, wie sich unterschiedliche Aspekte der Nachhaltigkeitsstrategien in den Vergütungssystemen passend abbilden lassen.

Jonas Beier:  Auch im War of Talents rücken neben monetären und non-monetären Leistungen die allgemeinen Arbeitsbedingungen immer weiter in den Fokus. Dabei ist die öffentliche Wahrnehmung der Institute ein wichtiger Faktor – und somit auch Themen wie die Verankerung von ESG-Zielen in der Vergütung oder die Transparenz darüber, wie ein Fair-Pay-Ansatz im Unternehmen umgesetzt wird.

Frau Jahn, Herr Beier, vielen Dank für das Gespräch!
 

Autor Isabel Jahn

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