Was in anderen Unternehmensbereichen bereits an der Tagesordnung ist, steckt in HR noch in den Kinderschuhen: Der Einsatz von e-Signaturen in Dokumenten des Personalmanagements. Dieser schreitet in Deutschland nur zögerlich voran. Dabei ist er ein wirksamer Hebel für effiziente End-to-End-Prozesse, welcher auf eine positive Candidate und Employee Experience einzahlt. Die hkp/// group Expert:innen Alina Hugger und Colin Stein mit einem Markteinblick in die aktuelle Nutzung von e-Signaturen.

Die elektronische Signatur im Personalwesen: Wie verbreitet ist ihre Nutzung? 

Alina Hugger: Die e-Signatur ist ja nur ein kleiner Ausschnitt aus dem großen Thema der Digitalisierung in Unternehmen. Allerdings besteht speziell bei der Digitalisierung von Signaturprozessen in HR, beispielsweise im Kontext von vertraglichen Regelungen, ein nahezu ungebrochen hoher Handlungsbedarf. Wir sehen einige Vorreiter im Markt, aber in der Breite hat sich die e-Signatur noch nicht durchgesetzt.

Colin Stein: Lassen sie mich eine typische Situation illustrieren. Insbesondere die größeren und börsennotierten Unternehmen haben ihre Talent-Prozesse mit Lösungen wie SAP SuccessFactors oder Workday bereits digitalisiert. Das heißt: Kandidat:innen bewerben sich digital über ein Karriereportal, HR steuert im Weiteren den Recruiting-Prozess ebenfalls digital. In vielen Fällen schließen sich Online-Interviews an. Aber anschließend kommt es zum Medienbruch: Der vereinbarte Arbeitsvertrag wird ausgedruckt und auf dem Postweg zum Unterschreiben versendet. Das bedeutet eigentlich unnötigen Aufwand und kostet viel Zeit, die in einem umkämpften Bewerbermarkt erfolgskritisch ist. 

Ist die geringe Nutzung von digitalen Signaturen eine verpasste Chance für moderne HR-Arbeit und die Candidate Experience? 

Alina Hugger: Ich würde es anders ausdrücken: Unternehmen, die bereits die Möglichkeiten der digitalen Signatur nutzen, profitieren aktuell von einem großen Wettbewerbsvorteil. Dabei geht es um Aufwand und Kosten, das Image als moderner Arbeitgeber, aber eben auch um eine möglichst attraktive Candidate Experience. 

Colin Stein: Konkret mit Blick auf den skizzierten Bewerbungsprozess: Unsere Projekterfahrung zeigt, dass es bis zu drei Wochen dauern kann, um unternehmensintern notwendige Unterschriften einzuholen – bevor Kandidat:innen ein verbindliches Angebot vorliegen haben. Zeiten, in den Dokumente physisch verschickt werden, machen Unternehmen langsam. Bewerber:innen, die heute meist zwischen verschiedenen Angeboten im Markt wählen können, entscheiden sich dann gegebenenfalls für einen anderen, schnelleren Arbeitgeber.

…was neue Kosten in der Suche bedeutet, sofern es diese eine Person mit der gefragten Qualifikation und Erfahrung noch einmal gibt!

Colin Stein: Gut aufgesetzte digitale Prozesse sind unbestritten schneller, günstiger und mit einer höheren Wahrscheinlichkeit des gewünschten Ergebnisses am Ende auch zielführend. Der administrative Aufwand für alle im Prozess Beteiligten reduziert sich. 

Alina Hugger: Und nebenbei verbessert sich der ökologische Footprint, da keine Dokumente gedruckt werden müssen, und auch bei der Compliance lässt sich punkten: Ein digitaler Prozess ist transparent, klar dokumentiert und damit steuerbar. Beides sind Aspekte, die gerade bei den stark umworbenen digital affinen Bewerbergenerationen, stark auf die Arbeitgeberattraktivität einzahlen. 

Der eine oder die andere hat in den Anfangszeiten gemischte Erfahrungen mit der e-Signatur gemacht. So wurde das Verfahren manchmal als zu kompliziert abgetan, andere kritisieren die Rechtssicherheit oder hohe Kosten. Was ist der aktuelle technische wie regulatorische Stand des Verfahrens und wie genau läuft das Unterschreiben via e-Signature heute ab? 

Alina Hugger: Zunächst zu den Rahmenbedingungen: Es gibt drei Arten von e-Signaturen, welche die EU im Rahmen der eIDAS Verordnung festgelegt hat. Davon durchgesetzt haben sich im Markt die einfache sowie die sogenannte qualifizierte Signatur. Neben dem Ablauf unterscheiden beide sich vor allem in ihrem Sicherheitsanspruch. Sofern gesetzlich nicht anders vorgeschrieben, ist die qualifizierte Signatur einer handschriftlichen Unterschrift gleichgesetzt.  

Colin Stein: Nehmen wir einen unbefristeten Arbeitsvertrag als Beispiel: Ist der Vertrag erstellt, können die Dokumente mit Tools wie DocuSign oder Adobe Sign an verschiedene Personen zur elektronischen Unterschrift gesendet werden. Die Unterschreibenden erhalten einen Link auf ihre Emailadresse und können das Dokument dann ganz einfach am Handy, Laptop oder Computer digital signieren. Bei der qualifizierten Unterschrift kommt zusätzlich ein Video-Ident-Verfahren über einen Vertrauensdienstanbieter zum Einsatz. Man kennt das Vorgehen auch von der digitalen Eröffnung eines Bankkontos. Der ganze Vorgang ist eine Sache von wenigen Minuten. 

Warum steckt die Nutzung der e-Signatur speziell in HR dann noch in den Kinderschuhen?

Alina Hugger: Basierend auf unseren Erkenntnissen nutzt etwa die Hälfte der DAX- und MDAX-Unternehmen e-Signaturen im HR-Management – und wenn sie es tun, dann sehr heterogen in der Umsetzung. Viele Unternehmen wenden e-Signaturen bei einzelnen Dokumenten an, andere nur in kleinen Pilotbereichen. Die wenigsten nutzen sie für den Großteil an HR-Dokumenten. 

Colin Stein: Was aber alle gemein haben, ist eine ausgiebige Nutzen-Risiko-Analyse vor dem Einsatz. Dabei braucht es in jedem Fall den Schulterschluss mit der Rechtsabteilung. Überraschenderweise fallen diese Analysen dann wieder sehr unterschiedlich aus.

Zur Nutzen-Risiko-Analyse von elektronischen Signaturen in der Personalarbeit: Ist ein Muster erkennbar?

Colin Stein: Zum Teil, hier spielt auch die Unternehmenskultur eine Rolle: So sind elektronische Signaturen in Tech Unternehmen wesentlich verbreiteter. 
Sollten aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen die Nutzen-Risiko-Analysen nicht eigentlich sehr ähnlich ausfallen? 

Alina Hugger: Das sollte man meinen. Wir sehen die differierenden Analyseergebnisse als Indiz, dass die rechtliche Lage für viele Unternehmen noch nicht ausreichend stabil ist. Zudem unterscheiden sich Organisationen darin, welche Risiken sie eingehen möchten. 

Könnten Sie konkretere Überlegungen zum Einsatz elektronischer Signaturen in den Unternehmen teilen?

Alina Hugger: In einem Unternehmen mit mehr als 100.000 Mitarbeitern kam man beispielsweise zu dem Schluss, für alle unbefristeten Arbeitsverträge ausschließlich die einfache Signatur zu verwenden. Die Kosten einfacher Signaturen sind deutlich geringer als die einer qualifizierten Signatur. Zudem ist dies noch schneller. Somit übersteigen die Mehrwerte überschaubare Risiken maßgeblich. Ein ähnlich großes Unternehmen verwendet dagegen ausschließlich die qualifizierte Signatur, um jegliche Rechtsrisiken auszuschließen, und sieht trotz der höheren Aufwände einen substanziellen qualitativen Vorteil im Kampf um Talente. 

Colin Stein: Aber es finden sich auch Beispiele von Unternehmen, denen selbst die qualifizierte Signatur aufgrund der aktuellen rechtlichen Lage zu unsicher ist. Diese setzen dann weiter auf Papierverträge. 

Alina Hugger: Und um das Bild abzurunden: Einige wenige Unternehmen nutzen beide Wege parallel: Sie binden Mitarbeitende mittels digitaler Unterschrift – ob nun in einfacher oder qualifizierter Form – rasch an sich. Zusätzlich wird der Vertag im Papierformat händisch unterschrieben und zu Arbeitsbeginn ausgegeben. 

Qualifizierte elektronische Signatur, einfache elektronische Signatur oder eine Mischung aus digital und analog: Welches Vorgehen raten Sie? 

Alina Hugger: Natürlich muss jedes Unternehmen eine eigene Einschätzung der Rechtslage vornehmen, solange es noch keine gefestigte Rechtsprechung zu diesem Thema gibt. Der Schlüssel liegt in der Nutzen-Risiko-Analyse. In Zusammenarbeit mit der Rechtsabteilung muss HR das Thema erörtern, wenn es mit schnellen, transparenten und gleichzeitig sicheren Prozessen den Weg hin zu einer einzigartigen Candidate & Employee Experience gehen möchte. Der Austausch mit uns wie auch anderen Unternehmen kann dabei helfen, Hürden und Barrieren abzubauen. 

Colin Stein: Ebenfalls wichtig ist das interne Marketing und die Berechnung eines Business Cases, um die entsprechende Rückenstärkung aus dem Top Management zu erhalten – die Unterstützung durch einen solchen Sponsor ist essenziell: Die Lizenzkosten für ein Signing-Tool wirken auf den ersten Blick hoch im Vergleich zu einfachen Portokosten. 

Aber das Einsparpotenzial elektronischer Signaturen im Human Resources Management sind es auch!

Colin Stein: Genau. Und auch ein Blick auf das Umsetzungsszenario ist wichtig. Am meisten profitieren Unternehmen, wenn das e-Signing-Tool in die bestehende HR-IT Infrastruktur eingebettet ist. Idealerweise sorgen sichere Schnittstellen zu Stammdatenbasis, Dokumentenmanagement und e-File-Lösung für automatisierte und friktionsfrei ablaufende Prozesse. 

Das klingt nach einem großen Wurf! Ist kein Einstieg über eine kleine Lösung möglich?

Alina Hugger: Doch, doch. Auch eine Stand-alone Einführung, bei der zunächst im Rahmen eines Pilotprojekts schnell und zu geringen Kosten Erfahrungen gesammelt werden, ist denkbar. Die Projektstruktur kann simpel gestaltet werden: Zu Beginn erfolgt eine Risiko-Nutzen-Analyse, dann folgt der Software-Auswahlprozess und zuletzt die Implementierung. Letztlich darf aber das große Ziel nicht aus dem Blick verloren werden. Daher raten wir auch in diesem Fall zu einer frühen Einbindung der relevanten Stakeholder im Unternehmen. Schließlich sollen ja am Ende alle an einem Strang ziehen und von der Implementierung profitieren.  

Frau Hugger, Herr Stein, herzlichen Dank für das Gespräch!
  

* Photo by Kelly Sikkema on Unsplash
Autor Colin Stein

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