Ein Gespräch mit den hkp///group Strategic HR Advisors Jennifer S. Schulz und Oliver Baierl zu den Herausforderungen in der Konzeption und Durchführung von Fair Pay-Analysen bei Banken und Finanzdienstleistern. 

Frau Schulz, Sie begleiten Unternehmen im Thema Fair Pay, von den ersten Analyseschritten bis hin zur offiziellen Zertifizierung. Herr Baierl, Sie sind Berater mit einem Schwerpunkt auf vergütungsregulatorische Herausforderungen in Finanzinstituten. Warum sieht man Sie aktuell häufiger in gemeinsamen Projekten?

Jennifer S. Schulz: Der Handlungsbedarf in Sachen Fair Pay steigt ja generell weiter, und das unabhängig von der Branche. Die anstehende Nachhaltigkeitsberichtserstattung im Rahmen der CSRD wird die internen wie öffentlichen Diskussionen dazu verstärken. Wir erleben aktuell, dass viele Unternehmen die Zeit zur intensiven Vorbereitung nutzen und in diesem Zuge auch ihre aktuellen Vergütungsinstrumente und Vergütungsphilosophie hinterfragen.

Was ist dann die Besonderheit bei Finanzinstituten?

Oliver Baierl: Hier drängt die Zeit. Bereits Mitte 2024 wird die Abgabe der Benchmarks bei der europäischen Bankenaufsicht EBA zum Gender Pay Gap fällig. Im Vergleich zu sonstigen EBA-Meldepflichten ist das Zahlenwerk dabei relativ schlicht. Die Werte für den unbereinigten Gender Pay Gap für Risk Taker & Co. müssen beispielsweise nicht konsolidiert, sondern nur für das jeweilige Einzelinstitut bereit gestellt werden. Bei vielen Instituten kann das noch auf Excel-Basis erledigt werden. 

Wie beurteilen Sie die Aussagekraft eines Benchmarks über unbereinigte Gender Pays Gaps?

Jennifer S. Schulz: Dazu habe ich eine klare Position: Der unbereinigte Gender Pay Gap ist nicht extern Benchmark-fähig. Die Ergebnisse hängen ganz wesentlich von der Struktur der Aufbauorganisation und der Verteilung der männlichen und weiblichen Beschäftigten in dieser ab. Mit der CSRD, genauer der Präzisierung durch die ESRS S1, ist dann künftig eine Berichterstattung des Gender Pay Gap über alle Länder hinweg gefordert. 

Das verstärkt dann die strukturellen Effekte!

Jennifer S. Schulz: Mehr noch: Neben dem Geschäftsmodell und der organisatorischen Aufstellung spielt auch eine Rolle, wie viele und welche Tätigkeiten noch inhouse erledigt werden oder in welchen Ländern Mitarbeitende tätig sind. Der unbereinigte Pay Gap sagt mir, wie groß der tatsächliche Vergütungsunterschied zwischen Frauen und Männern in meinem Unternehmen ist. Aber ob dieser Unterschied dadurch entsteht, dass Frauen für dieselbe Arbeit schlechter bezahlt sind als Männer oder dadurch, dass schlicht zu wenig Frauen in höherwertigen Jobs beschäftigt sind, ist daraus nicht ablesbar.
Oliver Baierl: Das sehe ich genauso. Der unbereinigte Gender Pay Gap kann im Zeitverlauf in einer relativ stabilen Organisation Aussagekraft haben. Dann ist er ein Indiz dafür, wie es um die Bemühungen zu gleichberechtigter Teilhabe an Karriere bestellt ist. Also mehr eine Frage der Chancengleichheit als eine Frage der Ausgestaltung des Vergütungssystems.

Wenn sich Unternehmen erstmals intensiver mit ihrem Gender Pay Gap beschäftigten möchten: Gibt es dabei besondere Herausforderungen?

Jennifer S. Schulz: Zentrales Thema ist meistens die Verfügbarkeit der relevanten Daten. Auch ist die interne Auseinandersetzung dazu wichtig, welche Einflussfaktoren auf Vergütung wirklich diskriminierungsfrei und damit als fair zu betrachten sind. Die im Rahmen einer Fair-Pay-Analyse identifizierten Faktoren machen dann deutlich, wo weiterer Handlungsbedarf besteht. 
Oliver Baierl: Auch ein Faktor, der zur Reduzierung des Gender Pay Gap beiträgt, kann grundsätzlich problematisch bzw. unfair sein. Sinkt der bereinigte Gender Pay Gap, ist zwar klar, dass ein Teil des Gehaltsunterschieds durch den Faktor erklärt werden kann, aber eben nicht zwangsweise, dass diese Erklärung im Sinne von Fair Pay ist.

Welche Besonderheiten in der Fair-Pay-Analyse sehen Sie bei Finanzinstituten?

Jennifer S. Schulz: Die Ermittlung eines bereinigten Gender Pay Gap kann für Finanzinstitute herausfordernd sein, da viele noch kein Stellenbewertungssystem implementiert haben. Damit fehlt ein wichtiger Faktor für die Gehaltsfindung und damit für die Analyse.
Oliver Baierl: Erschwerend kommt hinzu, dass Finanzinstitute häufig über deutlich höhere AT-Quoten als in der Industrie verfügen. Im AT-Bereich ist der Ermessensspielraum bei der Gehaltsfindung üblicherweise stärker ausgeprägt als im Tarifbereich. Denn auch wenn im AT ein Stellenbewertungssystem etabliert wurde, ist dieses typischerweise mit Gehaltsbändern hinterlegt und die Ist-Gehälter sind deutlich heterogener als im Tarif.

Es muss also deutlich mehr Aufwand in die Identifikation alternativer Faktoren investiert werden, die Unterschiede bei den Gehaltshöhen erklären können?

Oliver Baierl: Ja, der bereinigte Gender Pay Gap ist weder in den EBA-Benchmarks noch den anstehenden CSRD-Nachhaltigkeitsberichten verpflichtend offenzulegen, aber schon heute muss sich das Aufsichtsorgan jährlich mit der Frage der Angemessenheit der Vergütungssysteme befassen. Hier stellt die Institutsvergütungsverordnung und auch der Entwurf der künftigen Wertpapierinstitutsvergütungsverordnung klar, dass ein angemessenes Vergütungssystem auch geschlechtsneutral sein muss.
Jennifer S. Schulz: Für die Institute wäre es hilfreich gewesen, wenn der Regulator erklärt hätte, welche Schwerpunkte für einen Nachweis der Geschlechtsneutralität zu setzen sind. Letztlich ist der Themenkomplex neben dem Aufsichtsorgan auch für die Wirtschaftsprüfer relevant.
Oliver Baierl: In den deutschen Bankenregularien ist dazu, neben einem Verweis auf die europäischen Guidelines, wenig zu finden. Hier findet sich – verkürzt gesprochen – nur der Hinweis, dass man sich mit dem Thema beschäftigen möge und auch die Entwicklung des Gender Pay Gap monitoren soll.

Was müssen Institute aus Ihrer Sicht als nächstes angehen?

Oliver Baierl: Das Thema Fair Pay bzw. Gender Pay Gap wird spätestens mit der Einreichung der §12-Vergütungsberichte nach Institutsvergütungsverordnung für das Jahr 2023 im Aufsichtsrat akut werden. In den Instituten gibt es dazu auch schon die ersten Anfragen der Aufsichtsräte. Kommen dort nur unbereinigte Gender Pay Gap-Zahlen auf den Tisch, dürfte das kommunikativ für die handelnden Personen herausfordernd werden.

Auch die interne HR-Analytics und mit ihr die Reporting-Fähigkeit der HR-Funktion wird stärker gefordert sein... 

Jennifer S. Schulz: Die Diskussion über Ursachen und mögliche Lösungswege in Sachen Fair Pay muss zahlen- und faktenbasiert erfolgen. Aber selbst wenn nur der unbereinigte Gap berichtet werden soll, müssen jetzt dringend die Voraussetzungen zu dessen Ermittlung geschaffen werden: Das beginnt schon mit der Definition der einbezogenen Population und Vergütungselemente. Wichtig ist zudem die Prüfung der Datenverfügbarkeit und die Festlegung des Erhebungsprozesses sowie eines Normierungsansatzes – hier steckt der Teufel im Detail.

Was würden Sie Finanzinstituten vor dem Hintergrund der geschilderten Situation raten?

Oliver Baierl: Soweit noch nicht geschehen: anfangen! Es gilt zunächst, die relevanten Stakeholder für das Thema Fair Pay zu sensibilisieren, um das Buy-in für die weiteren Aktivitäten und die damit verbundenen Ressourcen zu erhalten. In der Regel sollte dazu eine erste Ermittlung des unbereinigten Gender Pays Gaps und deskriptive Analyse möglicher Treiber ausreichen.
Jennifer S. Schulz: Wir empfehlen in der Regel ein Projekt-Set-Up, in das alle relevanten Regulatorik-spezifischen Schnittstellenpartner eingebunden werden. Die Auslegung sollte für alle Aspekte von ESRS S1 aus einem Guss kommen und rechtzeitig mit dem Wirtschaftsprüfer diskutiert werden. Die Zielsetzung und das Ambitionsniveau für Fair Pay sollte anschließend auf Basis erster Analyseergebnisse definiert werden. Möchte man beispielweise eine unabhängige Zertifizierung erreichen, die auch auf das Employer Branding einzahlt, ist der Anspruch an die Tiefe der Auseinandersetzung mit dem Thema deutlich höher als für das reine Reporting.

Frau Schulz, Herr Baierl, vielen Dank für das Gespräch!

Author Jennifer S. Schulz

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