Die vom Finanzausschuss des Deutschen Bundestages mit dem neuen Fondsstandortgesetz am 21.4.2021 beschlossene Erhöhung des steuerlichen Freibetrags in der Mitarbeiterkapitalbeteiligung auf 1.440 Euro pro Jahr weist den richtigen Weg. Sie ist aber nur ein erster Schritt, um diesem nachweislich rentablen Instrument zum individuellen Vermögensaufbau zu mehr gesellschaftlicher Anerkennung und breiterer Entfaltung zu verhelfen, meinen die Experten für Mitarbeiterbeteiligung Dr. Heinrich Beyer vom Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung - AGP, Dr. Norbert Kuhn vom Deutschen Aktieninstitut und David Voggeser von der hkp/// group.

Herr Dr. Beyer, Herr Dr. Kuhn, Herr Voggeser, hat die Bundesregierung mit dem neuen Fondstandortgesetzes wichtige Forderungen nach einer Verbesserung der Situation der Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Deutschland erfüllt?
Dr. Heinrich Beyer:
Ja und nein. Die beschlossene Erhöhung des Freibetrags auf 1.440 Euro ist für die allermeisten Unternehmen in Deutschland, Aktiengesellschaften, Mittelstand und KMU eine echte Verbesserung, die dem Thema einen großen Schub geben kann. Allerdings ist es bedauerlich, dass ein wirklich neues und wichtiges Instrument wie die nachgelagerte Besteuerung durch bürokratische Reglements nahezu unbrauchbar ist. Und für die Mitarbeiterbeteiligung in Start-ups gibt es nach wie vor keine Lösung.
Dr. Norbert Kuhn: Die Vervierfachung des steuerlichen Freibetrags von 360 Euro auf 1.440 Euro jährlich ist ein großer Fortschritt. Leider wurde den Bedürfnissen von Start-up-Unternehmen in Bezug auf die Problematik des „dry income“ zu wenig Rechnung getragen.

Was meinen Sie mit dry income?
Dr. Norbert Kuhn:
Unter „dry income“ versteht man die in diesen Unternehmen gängige Praxis, den Mitarbeitern einen erheblichen Teil ihres Entgelts in Form einer Beteiligung auszuzahlen. Die Politik muss hier mehr für innovative Wachstumsunternehmen tun. Ansonsten droht der Wirtschaftsstandort Deutschland in Bezug auf Innovationen international den Anschluss zu verlieren – mit entsprechenden Folgen für die Beschäftigung von morgen.
David Voggeser: Der aus Sicht der Mitarbeiterbeteiligung wichtigste Aspekt des neuen Gesetzes ist zweifelsohne die geplante Anhebung des individuellen steuerlichen Freibetrags.

Warum ist der steuerliche Freibetrag so wichtig?
David Voggeser:
Es sind – wie von Dr. Beyer und Dr. Kuhn angemerkt – die Rahmenbedingungen, die insgesamt entscheidend sind. Aber gerade bei dem Thema Freibetrag hat sich die Politik in den letzten Jahren beharrlich konstruktiven Argumenten verschlossen. Nun scheint ein Umdenken stattgefunden zu haben.

Wie erklären Sie sich die Ablehnung gegenüber zielführenderen Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung?
Dr. Norbert Kuhn:
Bei vielen Politikern erleben wir eine große Skepsis gegenüber Aktien und Kapitalmärkten. Viele können die Chancen und Risiken, die mit Aktien verbunden sind, nicht richtig einschätzen. Dies gilt es zu überwinden, denn bei nachlassender Leistungsfähigkeit der Rente brauchen wir beispielsweise deutlich mehr Aktien in der Altersvorsorge. Auch beim Vermögensaufbau müssen die Menschen mehr auf Aktien setzen. Die Zahl der Aktionäre wie die der Mitarbeiteraktionäre hat in Deutschland noch ein großes Potenzial nach oben. Hierfür sind bessere Rahmenbedingungen dringend notwendig, was sich zunehmend auch in der Politik herumspricht. 

Letztlich ist ein Investment aber immer mit Risiko verbunden.
Dr. Norbert Kuhn:
Das ist so. Allerdings stehen diesem Risiko auch große Chancen gegenüber, wie unser DAX-Rendite-Dreieck zeigt. So konnte man mit einem breit gestreuten Investment in den DAX Erträge von durchschnittlich sieben Prozent im Jahr erwirtschaften, wenn man langfristig dabeiblieb.  
David Voggeser: Und speziell im Fall der Mitarbeiterbeteiligung wird das Investment-Risiko ja stark durch Maßnahmen der Unternehmen abgefedert.

Was sind derartige Maßnahmen?
David Voggeser:
Dazu zählen zum Beispiel die Gewährung von Rabatten auf den Kauf von Unternehmensanteilen oder die Incentivierung des Aktienerwerbs durch kostenfreie Anteile. Über diese Maßnahmen lassen sich auch wirtschaftliche Instabilitäten langfristig kompensieren, da Mitarbeiter in Krisenzeiten für ihr Investment aufgrund des geringeren Kurses eine größere Anzahl an Aktien erhalten. Spätere Kurssteigerungen erhöhen so die Rendite.
Dr. Heinrich Beyer: Genau, und höhere individuelle steuerliche Freibeträge würden diese Maßnahmen durchaus sinnvoll flankieren.

Was macht Sie so sicher, dass Unternehmen mitziehen würden und höhere Freibeträge in ihren Plänen einpreisen?
Dr. Heinrich Beyer:
Wir nehmen diese Bereitschaft im Markt wahr. Nicht zuletzt eine Kurzumfrage des Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung - AGP mit dem Deutschen Aktieninstitut und hkp///group in diesem Frühjahr hat gezeigt: Mehr als drei Viertel der befragten Unternehmen sehen in der Erhöhung der steuerlichen Freibeträge einen wichtigen Schritt, um die Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland im Allgemeinen attraktiver zu machen. Zwei Drittel der Studienteilnehmer planen, den bislang diskutierten höheren Freibetrag von 720 Euro in Zukunft auszuschöpfen. Und nur 13 Prozent sind der Meinung, dass eine Erhöhung des Freibetrags keinen Einfluss auf die Attraktivität von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen hat.
Dr. Norbert Kuhn: Umso wichtiger ist der ambitionierte Schritt, den Freibetrag nicht nur auf 720 Euro, sondern auf 1.440 Euro jährlich anzuheben.

Was würden höhere steuerliche Freibeträge denn konkret bringen?
Dr. Heinrich Beyer:
Unternehmen würden stärker motiviert sein, die oben genannten flankierenden Maßnahmen in Angriff zu nehmen. Aber auch wenn ein weiter erhöhter Freibetrag von 1.440 Euro nicht von allen Unternehmen und auch nicht jedes Jahr voll ausgeschöpft wird, so bleibt der damit verbundene Schub für die Mitarbeiterbeteiligung erhalten. Denn dann können Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen selbst den nicht genutzten Freibetrag als eigene Einlage steuerfrei einbringen.

Lassen sich die Effekte in konkreten Zahlen fassen?
Dr. Norbert Kuhn:
Mit dem durch hkp/// group und Deutsches Aktieninstitut entwickelten Rendite-Dreieck Mitarbeiteraktien lassen sich diese Effekte sehr gut aufzeigen. Das Tool, das sich an unseren Rendite-Dreiecken orientiert, verdeutlicht konkret die Auswirkungen der steuerlichen Förderung und individuellen Programmgestaltung, das heißt der vom Unternehmen auf den Kauf der Aktien gewährten Rabatte. So lassen sich bei rund 95 Prozent der Unternehmen aus DAX, MDAX, SDAX und TecDAX im zurückliegenden Zehnjahreszeitraum deutlich positive Renditen verzeichnen.
David Voggeser: Oder noch konkreter: Am Beispiel einer Anlage auf DAX-Basis lässt sich beispielsweise erkennen, dass ein monatliches Investment von 200 Euro bei einem Steuerfreibetrag von 1.440 Euro über zehn Jahre zu einem Netto-Gesamtgewinn von ca.18.500 Euro führt – und das bei 24.000 Euro Investment. Beim bisherigen Steuerfreibetrag in Höhe von 360 Euro würde sich lediglich ein Gewinn von 16.400 Euro ergeben, also mehr als 2.000 Euro weniger. Die interessierte Öffentlichkeit ist aber herzlich eingeladen, selbst auf mab-renditedreieck.hkp.net die vielfältigsten Szenarien in Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen durchzuspielen.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Autor David Voggeser

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