Frankfurt am Main, 27. Juni 2023. Beginnend mit dem Geschäftsjahr 2022/2023 verpflichtet der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) deutsche börsennotierte Unternehmen zum Ausweis der individuellen Kompetenzen ihrer Aufsichtsräte. In einer jetzt vorgelegten Analyse haben das auf Optimierung der Aufsichtsratsarbeit spezialisierte European Center for Board Effectiveness ECBE und die auf Corporate Governance & strategisches HR-Management fokussierte Unternehmensberatung hkp/// group basierend auf Geschäftsberichtsangaben erstmals die Qualifikationsmatrizen der in den Börsen-Indices DAX, MDAX und SDAX geführten 160 Unternehmen analysiert.

Laut der Analyse Die Qualifikationsmatrix nach der Neufassung des DCGK sind 90% der einbezogenen Unternehmen der DCGK-Empfehlung zur systematisierten Offenlegung von individuellen Aufsichtsratskompetenzen nachgekommen. Dabei zeigt sich eine sehr heterogene Nennung von Kategorien und Kompetenzen. Am häufigsten werden in den Qualifikationsmatrizen die Kategorien Finanzexpertise, Nachhaltigkeit und Branchenerfahrung angezeigt. Dabei bestätigen in den meisten Unternehmen die Aufsichtsratsmitglieder deutlich mehr als die Hälfte der abgefragten Kompetenzen – in einigen über 90%. Insbesondere verfügen mehr als zwei Drittel der Aufsichtsräte über Branchen- bzw. Geschäftsfeldkenntnisse sowie über Nachhaltigkeitsexpertise. Im Gegensatz dazu sind die Digitalisierungs- und Strategiekompetenz deutlich geringer ausgeprägt. Männliche Aufsichtsräte geben im Durchschnitt mehr Kompetenzen als weibliche an, wobei dieser Unterschied besonders signifikant beim Aufsichtsratsvorsitz wie auch auf Seiten der Anteilseigner ist. Generell geben Aufsichtsratsvorsitzende deutlich mehr Kompetenzen als Ordentliche Mitglieder des Gremiums an, ebenso ältere im Vergleich zu jüngeren Aufsichtsräten.

Aus Sicht der Studienautoren rückt vor dem Hintergrund von Kontrollversagen wie im Fall Wirecard, aber auch angesichts verstärkten Investorendrucks in puncto Aufsichtsratszusammensetzung die fachliche Eignung von Aufsichtsräten zunehmend in den Blickpunkt. „Wir sehen nun, wie Aufsichtsräte ihre Zusammensetzung bewerten und dies gegenüber Investoren transparent machen. Zugleich haben wir eine Indikation, inwieweit aktuelle Themen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung in den Fokus genommen werden. Die Analyse zeigt, dass sich Aufsichtsräte hier ein positives Zeugnis ausstellen und ein – auch in der Breite – hohes Kompetenzniveau aufweisen“, erklärt Regine Siepmann, Senior Partner und Leiterin der Corporate Governance Practice bei hkp/// group.

Daniela Mattheus, Mitinhaberin und Senior Board Advisor ECBE sowie Multi-Aufsichtsrätin sieht in dem durch den DCGK geforderten Kompetenznachweis einen wichtigen Schritt in Richtung der weiteren Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit: „Aufsichtsrat ist heute mehr denn je eine Profession mit erforderlichen Kenntnissen und Erfahrungen – erst recht auf Ebene großer börsennotierter Unternehmen. Kompetenzen systematisiert öffentlich einsehbar zu machen und damit eine unabhängige Bewertung zu ermöglichen, wird zur Selbstverständlichkeit und ist Beleg für erfolgreiches Wirken im Sinne guter Corporate Governance.“


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Hohe Entsprechungsquote zur DCGK-Empfehlung

In seiner aktuellen Fassung fordert der DCGK in Ziffer C.1, dass ein Aufsichtsrat für seine Zusammensetzung konkrete Ziele benennen und ein Kompetenzprofil für das Gesamtgremium erarbeiten soll. Dabei ist auf Diversität sowie auch auf Expertise zu den für das Unternehmen bedeutsamen Nachhaltigkeitsfragen zu achten. Der Stand der Umsetzung soll in Form einer Qualifikationsmatrix offengelegt werden.

Mit insgesamt 38 (von 40) DAX-, 44 (von 50) MDAX- und 56 (von 70) SDAX-Unternehmen kommen rund 90 % der Unternehmen aus dem untersuchten Teilnehmerfeld den Anforderungen des DCGK nach. Während Unternehmen in ausländischer Rechtsform nicht unter diese Vorgaben fallen und daher von der Veröffentlichung absehen, geben die weiteren Unternehmen ohne Qualifikationsmatrix vielfältige Gründe für ihre Abweichung vom DCGK an. Diese reichen vom Verweis auf die noch zu erfolgende Erstellung und die pauschale Feststellung, dass erforderliche Kompetenzen im Aufsichtsrat hinreichend berücksichtigt sind, über eine Kommentierung als bürokratische Forderung mit unnötigem Mehraufwand bis hin zur Feststellung, dass Qualifikationsmatrizen keinen Mehrwert darstellen und unnötig einschränken.

„Qualifikationsmatrizen sind nicht nur ein Instrument der externen Kapitalmarktkommunikation, sondern auch eine wichtige Orientierungshilfe in der Binnenarbeit und Zusammensetzung als Aufsichtsgremium. Transparenz in diesem Punkt wird daher binnen kurzem zum akzeptierten Marktstandard“, erklärt Dr. Lukas Berger, ECBE Board Advisor und Co-Autor der Studie.

Darstellungsformate und Kategorien der Qualifikationsmatrix

96 % der untersuchten Unternehmen setzen in der Darstellung der Qualifikationen ihrer Aufsichtsratsmitglieder auf eine eigenständige Matrix mit Spalte bzw. Zeile für jedes Mitglied. In Ausnahmefällen werden Qualifikationsmatrizen nur für Vertreter der Anteilseigner vorgelegt. Alternative bzw. ergänzende Darstellungsformen sind Texte bzw. Lebensläufe sowie Darstellung für das Gesamtgremium.
Neben der Darlegung der fachlichen Kompetenzen geben viele Unternehmen weitere Kategorien an, meist Informationen zur persönlichen Eignung, Zugehörigkeitsdauer, Diversität und demografische Daten. Die Wahl bzw. Zuordnung der Kategorien ist dabei sehr heterogen und uneinheitlich.

Anzahl und Ausprägung von Kompetenzen

Die Anzahl der ausgewiesenen fachlichen Kompetenzen in den Qualifikationsmatrizen variiert stark von 5 im Minimum bis zu 21 im Maximum, wobei fünf Unternehmen mehr als 20 ausweisen. Im Mittel weisen die Unternehmen der DAX-Indexfamilie 11 Fachkompetenzen aus. Vereinzelt werden unterschiedlich viele Kompetenzen für die Anteilseigner- und Arbeitnehmerseite angegeben.
In den Darstellungen finden sich vielfach keine Angaben zur Ausprägung einer bestimmten Qualifikation, diverse Unternehmen präzisieren jedoch bei höheren Ausprägungen im Sinne von „fundiert“ oder „sehr gut“. In Einzelfällen werden auch konkrete Bestands- und Zielwerte bei den Qualifikationen angegeben oder dazu im Fließtext zusätzliche Erläuterungen veröffentlicht.

Art der ausgewiesenen Kompetenzen

Hinsichtlich der in den Qualifikationsmatrizen ausgewiesenen Fachkompetenzen zählen über alle Indices hinweg Finanzen, Nachhaltigkeit sowie Branchenerfahrung zu den am häufigsten genannten Kompetenzen. Allein die Benennung und Aggregation der Kompetenzen erfolgt hoch unterschiedlich. Digitalisierungskompetenz wird vor allem bei DAX-Unternehmen häufig angegeben, bei SDAX-Unternehmen sind es nur 70%.
Daneben wird eine Vielzahl an unternehmensspezifischen Kompetenzen in der Qualifikationsmatrix aufgeführt. Auffällig ist, dass Strategie-Kompetenz nur von 41% aller Unternehmen angegeben wird.

 

Abb.: Von Unternehmen ausgewiesene Kompetenzen innerhalb des Aufsichtsrats
Quelle: ECBE/hkp/// group 2023

Hintergrundinformation & Bezug der Studie

Die Analyse Die Qualifikationsmatrix nach der Neufassung des DCGK von ECBE und hkp/// group wurde im Mai/Juni 2023 auf Basis der veröffentlichten Geschäftsberichte der DAX-/MDAX- und SDAX-Unternehmen durchgeführt. Ihre Ergebnisse sind ein Indikator dafür, wie es um die Kompetenzen von Aufsichtsräten in den führenden börsennotierten Unternehmen in Deutschland bestellt ist, insbesondere wie Aufsichtsräte ihre Zusammensetzung bewerten und dies gegenüber Investoren transparent machen. Sie bietet zudem eine Indikation, ob und inwieweit Themen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung adressiert werden.

Ein Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Studie ist verfügbar unter hkp/// group - Aufsichtsratskompetenzen erstmals transparent

Kontakt für die Medienarbeit
Thomas Müller, hkp/// group, +49 176 100 88 237, thomas.mueller@hkp.com
Lukas Berger, ECBE; +49 176 32 01 77 41, lukas.berger@ecbe.com

Autor Thomas Müller

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