Mit der Umsetzung der Zweiten Europäischen Aktionärsrechterichtlinie für börsennotierte Unternehmen durch das ARUG II sind spezielle Regelungen zur Maximalvergütung in das Aktiengesetz eingefügt worden. Über deren Bedeutung sowie die daraus folgenden Herausforderungen bei der Gestaltung von Vergütungssystemen für den Vorstand sprach hkp.com mit den hkp/// group Corporate Governance Experten Dr. Jan Dörrwächter und Johannes Harrack.

Herr Dr. Dörrwächter, Herr Harrack, bitte erläutern Sie kurz den Begriff der Maximalvergütung. Wie erklären Sie seine offensichtlich zunehmende Bedeutung?

Jan Dörrwächter: Lassen Sie uns zunächst einige grundlegende juristische Rahmenbedingungen erläutern, die sich aus der Umsetzung der Zweiten Europäischen Aktionärsrechterichtlinie ergeben: Nach § 87a Absatz 1 Aktiengesetz (AktG) muss das durch den Aufsichtsrat zu beschließende und nach § 120a Abs. 1 AktG der Hauptversammlung vorzulegende Vergütungssystem die Festlegung einer Maximalvergütung der Vorstandsmitglieder umfassen. 
Johannes Harrack: Dabei ist die Angabe einer Maximalvergütung als strukturelle Festlegung zwingender Bestandteil des Vergütungssystems von Vorständen und gilt für bis zu vier Jahre. Zu beachten ist, dass der Hauptversammlung im Rahmen der Maximalvergütung eine besondere Rolle zukommt. Sie kann nach § 87 Abs. 4 AktG auf Antrag eines Quorums von Aktionären die durch den Aufsichtsrat festgelegte Maximalvergütung herabsetzen.
Jan Dörrwächter: Bei der Maximalvergütung handelt es sich also nicht um eine Bagatelle, sondern um eine klare Vorgabe mit entsprechendem Gewicht für die Ausgestaltung des Vergütungssystems und für die Kommunikation der Vorstandsvergütung an Aktionäre und Öffentlichkeit.

Für welche Vergütungselemente gilt die Maximalvergütung?

Jan Dörrwächter: Von der Maximalvergütung wird grundsätzlich die gesamte einem Vorstandsmitglied für ein Geschäftsjahr von der Gesellschaft zugesagte Vergütung erfasst, also Grundvergütung, kurz- und langfristige variable Vergütung sowie Nebenleistungen und betriebliche Altersversorgung. 

Wie steht es um Sonderzahlungen, wie Boni für außerordentliche Leistungen?

Johannes Harrack: Auch Sonderzahlungen fallen unter die Regelung. Dies folgt schon daraus, dass das Aktiengesetz grundsätzlich keine Einschränkungen des Geltungsbereichs der Maximalvergütung vorsieht. 

Damit sind auch die in den letzten Jahren vielfach diskutierten Handgelder bei Unternehmenswechseln inkludiert?

Johannes Harrack: Genau, auch Sign-on-Boni, also Zahlungen im Zusammenhang mit dem Amtsantritt eines Vorstandsmitglieds, sind inbegriffen, da auch sie Teil des Vergütungssystems sind. Ansonsten dürften sie gar nicht gezahlt werden.
Jan Dörrwächter: Dabei ist zu beachten, dass Unternehmen sich in der Praxis grundsätzlich behelfen können, falls die Höhe der Maximalvergütung eine Zahlung von Sign-on-Boni nicht zulässt. Sie können entweder im Vergütungssystem eine einmalige Erhöhung der Maximalvergütung für das Jahr des Eintritts vorsehen oder aber den Sign-on-Bonus auf mehrere Jahre verteilen. Gegebenenfalls ist auch an eine Abweichung von der Maximalvergütung nach § 87a AktG in Erwägung zu ziehen. Allerdings sind die Hürden hierfür relativ hoch.

Inwiefern hat die Hauptversammlung Einfluss auf das Thema der Maximalvergütung?

Jan Dörrwächter: Nach dem Aktiengesetz kann die Hauptversammlung auf Antrag die vom Aufsichtsrat im Vergütungssystem beschlossene Maximalvergütung herabsetzen. Die Herabsetzung ist für den Aufsichtsrat verbindlich. Zu beachten ist jedoch, dass laufende Verträge davon unberührt bleiben. Die herabgesetzte Maximalvergütung findet also nur auf Verträge Anwendung, die nach dem Herabsetzungsbeschluss auf Basis des entsprechenden Vergütungssystems abgeschlossen werden.

Wie gehen Unternehmen aktuell mit dem Thema Maximalvergütung um? Welche Erkenntnisse ergeben sich aus den Hauptversammlungen? 

Johannes Harrack: Interessant ist insbesondere der zeitliche Bezug der Maximalvergütung. Unsere Analysen bestätigen hierzu ein stark konvergierendes Verständnis. Von den DAX30-Unternehmen, die in ihren Vergütungssystemen den zeitlichen Bezug der festgelegten Maximalvergütung beschreiben, stellt die weit überwiegende Mehrheit als Referenzjahr auf das Jahr der Zusage ab, unabhängig vom genauen Zeitpunkt des Zuflusses. Lediglich einzelne Gesellschaften begrenzen die in einem Geschäftsjahr zugeflossene Vergütung, unabhängig vom Zeitpunkt der Zusage des Vergütungselements.

Nimmt damit nicht das Risiko von Zufallsergebnissen zu? 

Johannes Harrack: Das tut es. Gegen diese Vorgehensweise spricht auch, dass damit die Vergütung aus unterschiedlichen Geschäftsjahren und damit unterschiedlichen Systemen von der für das Jahr des Zuflusses geltenden Maximalvergütung erfasst würde. Dies erscheint jedoch schwer vereinbar damit, dass die Maximalvergütung immer Teil eines bestimmten Vergütungssystems ist und nur für dieses gilt. 

Immer wieder taucht die Frage auf, ob Maximalvergütungen auf Individualebene oder für den Gesamtvorstand festgelegt werden sollten. Wie gehen Unternehmen hier vor?

Jan Dörrwächter: Die Maximalvergütung kann sowohl für jedes Vorstandsmitglied bzw. für jede Vorstandsfunktion einzeln als auch kollektiv für den Gesamtvorstand festgelegt werden. Beide Ansätze stehen im Einklang mit den Vorgaben des Aktiengesetzes. Dem Aufsichtsrat bietet sich hier ein großer Gestaltungsspielraum.

Wo liegen die Vor- und Nachteile des jeweiligen Ansatzes?

Jan Dörrwächter: Aus Praxissicht bietet eine individualisierte Festlegung erhebliche Vorteile. Stellen Sie sich den Fall vor, dass der Vorstand um ein Mitglied vergrößert wird. In diesem Fall könnte die für den Gesamtvorstand festgesetzte Höhe nicht mehr ausreichend sein. 
Johannes Harrack: Umgekehrt könnte bei einer Verkleinerung des Vorstands die für das gesamte Vorstandsgremium geltende Maximalvergütung ihren Zweck verfehlen weil sie viel zu hoch ist. 

Wie steht es um den Ausweis konkreter Beträge bzw. des Wertes für die Maximalvergütung?

Jan Dörrwächter: Ungeachtet der Festlegung der Maximalvergütung pro Vorstandsmitglied bzw. -funktion oder für den Gesamtvorstand muss die Höhe der Maximalvergütung als konkreter Betrag angegeben werden. 

Aber die Maximalvergütung allein in Abhängigkeit von einer variablen Kennzahl, sprich einem Vielfachen der Durchschnittsvergütung der Belegschaft auszudrücken, wäre möglich?

Johannes Harrack: Nein, das würde den aktienrechtlichen Anforderungen nicht genügen. Die Angabe als Prozentsatz bezogen auf die – sich möglicherweise über die Zeit ändernden – Zielbeträge variabler Vergütungselemente oder Festgehälter dürfte ebenfalls nicht ausreichend sein. Dies ergibt sich auch aus dem Herabsetzungsrecht der Hauptversammlung, das eine genaue Bezifferung der Maximalvergütung voraussetzt. Ansonsten könnte die Hauptversammlung die Notwendigkeit einer Herabsetzung gar nicht beurteilen. 

Ausgehend von der Verpflichtung zur Nennung eines konkreten Eurobetrags stellt sich die Frage der Höhe der Maximalvergütung. Wie gestaltet sich hier die Diskussionslage?

Jan Dörrwächter: Eine niedrige Maximalvergütung kann in einem reduzierten Anreiz zur Zielübererfüllung resultieren und Spielräume für Erhöhungen der Zielvergütung verringern. Demgegenüber kann eine hohe Maximalvergütung ungerechtfertigte Erwartungen hinsichtlich der möglichen Vergütung bei Vorstandsmitgliedern wecken. Gleichzeitig birgt eine hohe Maximalvergütung das Risiko negativer Schlagzeilen sowie einer Ablehnung durch einzelne Investoren auf der Hauptversammlung. Dies sollte auf keinen Fall unterschätzt werden.

Was fordern Investoren denn bezüglich der Maximalvergütung?

Johannes Harrack: Bisher wurden von Investoren diesbezüglich kaum dezidierte Erwartungen geäußert. Zur Erinnerung: Die großen institutionellen Investoren und Stimmrechtsberater haben zumeist einen anglo-amerikanischen Hintergrund. Bei der Maximalvergütung handelt es sich aber um eine deutsche Besonderheit, die in dieser Form in der Regel nicht von den entsprechenden Proxy Voting Guidelines abgedeckt wird. Dagegen haben mit Deka Investment und Union Investment zwei der größten deutschen Investoren konkrete Vorstellungen zur Maximalvergütung geäußert. Beispielsweise äußert Deka die Erwartung, dass die Maximalvergütung des Vorstands im Vergleich zur Vergütung der Führungskräfte und der Belegschaft insgesamt bzw. im Vergleich zu anderen Unternehmen vermittelbar und auch der Öffentlichkeit gegenüber kommunizierbar sein soll.

Herr Dr. Dörrwächter, Herr Harrack herzlichen Dank für das Gespräch! 

 


 

Publikationshinweis: Welche Anforderungen an die Festlegung der Maximalvergütung bestehen, welche Herausforderungen sich in der Praxis ergeben und was bei der Gestaltung von Vorstandsverträgen zu beachten ist, wird durch die beiden hkp/// group Experten Dr. Jan Dörrwächter und Johannes Harrack in Der Betrieb, Ausgabe 36/2021 ausführlich dargelegt: „Praxisfragen der Maximalvergütung bei der Gestaltung von Vergütungssystemen für den Vorstand“, Der Betrieb 36/2021, S. 2064-2072.
 

Autor Dr. Jan Dörrwächter

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