Wie kann ein gelungenes Zusammenspiel von natürlicher und künstlicher Intelligenz aussehen? Einen Impuls dazu liefert Dr. Matthias Röder, der 2021 mit Experten eine KI entwickelt hat, die Beethovens 10. Sinfonie vollendete, auf dem Frühjahrsempfang der hkp/// group am 3. Mai 2023 in der Alten Oper zu Frankfurt am Main.

Das von der Deutschen Telekom unterstütze Beethoven-KI-Projekt hat nicht nur die Klassik-Szene aufhorchen lassen. Im Gespräch mit hkp.com erläutert Dr. Matthias Röder, der Gründer von The Mindshift und kreativer Kopf an der Schnittstelle von Musik, Technologie, Wissenschaft und Unternehmertum, das Projekt sowie seine Relevanz für das Zusammenspiel von Mensch, Wirtschaft und Technologie.

Herr Dr. Röder: Als Beethoven 1827 starb, hinterließ er Skizzen für eine zehnte Sinfonie. Unter Ihrer Leitung hat ein Team aus Programmierern, Musikwissenschaftlern und Musikern daraus mit künstlicher Intelligenz eine neue Komposition geschaffen. Wie schauen Sie heute auf das Projekt?

Dr. Röder: Es war eines der spannendsten Projekte in meinem kreativen Schaffen, aber auch – wenn man der öffentlichen Rezeption Glauben schenken darf – in der klassischen Musikszene der letzten Jahre. Gleichzeitig war es ein mächtiger Fingerzeig, was eine durch Menschen gelenkte Künstliche Intelligenz an kreativem Potenzial freisetzen kann. Und in der Tat. Es ist gerade diese gelungene Verbindung von Emotionalität, menschlicher Kreativität und technischer Leistungsfähigkeit, die mich nach wie vor begeistert.  

Waren Sie selbst überrascht von dem Ergebnis oder hatten Sie vorab Zweifel?

Dr. Röder: Der Überraschungseffekt war da, auch wenn es keinen Knall-auf-Fall-Effekt gab. Wir haben ja nicht Noten in einen Computer geworfen und am Ende auf Abspielen gedrückt und verzückt dem Ergebnis gelauscht. Nein, wir haben intensiv mit der KI kreativ gearbeitet und systematisch ein überzeugendes Musikwerk geschaffen. Das war ein kreativer Reifeprozess an dessen Ende ein überraschend gelungenes Ergebnis lag.


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Wie muss man sich die Komposition einer Sinfonie mit Hilfe einer KI vorstellen?

Dr. Röder: Im konkreten Fall war es prozessual zunächst ein Füttern der KI mit den verfügbaren Musikstücken Beethovens aber auch mit der von Zeitgenossen. Die KI musste erst den Stil der Musik dieser Zeit lernen. Auf dieser Basis wurden anschließend von der KI diverse Fortführungen der Skizzen Beethovens rechnerisch ermittelt, die mein Team dann in einem kollektiven Kreativitätsprozess ausgewählt, durch eine KI verbunden und orchestriert hat. 

Sie haben also nachjustiert.

Dr. Röder: Ja, das Projekt ist eine Kooperation von Technikern, Musikern und KI und spiegelt den Stand der Technik, des Verständnisses zeitgenössischer Musik wie auch individueller Präferenzen wider. Die KI hatte mehrere hundert Vorschläge für die Fortführung erarbeitet. Die galt es, auf Basis menschlicher Intelligenz und Expertenwissen zu bewerten und zu bearbeiten. 

Wäre das Ergebnis des Prozesses heute ein anderes?

Dr. Röder: Ja, das wäre so. Aber auch ein Musiker wie Beethoven hat sich ja über die Jahre in seinem musikalischen Schaffen verändert. So verändern auch wir uns, so entwickelt sich auch Technologie weiter.

Wie konkret würde sich eine technologische Änderung niederschlagen – lägen am Ende nur schneller Ergebnisse vor?

Dr. Röder: Angesichts zunehmender Rechenleistungen wäre die Geschwindigkeit heute sicherlich eine andere. Aber wahrscheinlich hätten wir in gleicher oder weniger Zeit noch mehr Lösungsangebote seitens der KI angeboten bekommen. Diese dann aber zu verarbeiten, wäre wiederum eine andere Herausforderung. Wenn die Frage darauf abzielt, ob wir heute näher an einem fiktiven Original liegen würden, dann lässt sich darauf keine Antwort geben. Als Kinder einer anderen Zeit werden wir es nie erfahren!

Welchen Schritt bedeutet Ihr Projekt für das Verhältnis von Kreativität und Technologie?

Dr. Röder: Unser Projekt war ein weiterer Beleg dafür, wie fruchtbar eine durch Menschen gelenkte Künstliche Intelligenz sein kann. Große Musiker hatten früher ihre Schüler und Mitarbeiter, die Aufgaben in der Weiterführung bzw. Abwicklung bestimmter Entwicklungsschritte zum Beispiel in der Orchestrierung eines Werkes übernommen haben. An diese Stelle kann nun eine entsprechend trainierte KI treten. 

Und abseits der Musik, wie steht es um den Transfer Ihrer Projektergebnisse in die Welt der Wirtschaft, in die Unternehmenspraxis?

Dr. Röder: Die Vorstellung, dass eine entsprechend trainierte KI auch in anderen Aufgaben hoch effizient unterstützen und zunehmend auch kreative Prozesse übernehmen kann, ist längst erwiesen. Wir erleben große Fortschritte diesbezüglich, wobei beispielsweise die Veröffentlichung von ChatGPT für die breite Nutzung nur den geringsten Teil dessen zeigt, was wirklich möglich ist. 

Kommt nach Beethoven jetzt ein anderes Klassik-Projekt? Woran arbeiten Sie gerade?

Dr. Röder: Wir haben im letzten Jahr zusammen mit Robbie Williams seinen vielleicht bekanntesten Song „Angels“ im Stil von Beethoven „aktualisiert“. Mich interessiert nun vor allem die Anwendung unserer Technologie zusammen mit anderen Künstlern und später auch mit Laien. Man darf also auf weitere Hörbeispiele für das Hand in Hand von natürlicher und künstlicher Intelligenz gespannt sein.

Herr Dr. Röder, vielen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf Ihren Impuls zum Thema "Wo Beethoven aufhört und KI beginnt: Kreativität und Technologe in Unternehmen, Gesellschaft und Kunst" auf dem hkp/// group Frühjahrsempfang am 3. Mai 2023 in der Alten Oper zu Frankfurt am Main. 

 

Autor Thomas Müller

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