hkp.com im Gespräch mit den hkp/// group Vergütungsexpertinnen Dr. Pia Lünstroth und Jennifer S. Schulz zu den aktuellen Entwicklungen der Vergütungen von Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden in den führenden börsennotierten Unternehmen Österreichs (ATX).

Frau Dr. Lünstroth, Frau Schulz, die aktuelle ATX-Berichtssaison steht im Zeichen der mit dem AktRÄG in Österreich umgesetzten Europäischen Aktionärsrechterichtlinie. Was ist ihr Fazit mit Blick auf den Ausweis der Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung?

Dr. Pia Lünstroth: Wir sehen eine ganze Reihe an positiven Entwicklungen, wenngleich wir weiterhin Raum für Verbesserungen sehen. So hat sich der Ausweis der zugeflossenen Vergütung im Gegensatz zu den Vorjahren deutlich verbessert. Auch internationale Standards bzw. Selbstverständlichkeiten wie die Angabe des Bezugsjahres für Vergütungselemente finden sich nun in den Vergütungsberichten wieder.
Jennifer S. Schulz: Der ATX hat im Ausweis einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht, ist im internationalen Vergleich vom Schlusslicht in das Mittelfeld gesprungen.

Was muss sich in den Vergütungsberichten konkret noch ändern?

Jennifer S. Schulz: Optimierungsbedarf sehen wir noch bei der variablen Vergütung. Hier sind nach wie vor selten Zielbeträge angegeben, wenngleich sich diese oft aus der mittlerweile deutlich verbesserten Beschreibung des Vergütungssystems in der Vergütungspolitik ableiten lassen. Im Sinne einer einfachen Lesbarkeit und Vergleichbarkeit könnten die Unternehmen hier weiter optimieren, auch wenn das Gesetz dies nicht eindeutig fordert.
Dr. Pia Lünstroth: Auch ein Vorjahresvergleich im Vergütungsausweis bei den Vorständen ist häufiger zu finden, jedoch noch nicht durchgängig in allen Vergütungsberichten. Aber wie gesagt, wir sehen den eingeleiteten Wandel: Im Vergütungsbericht wird jetzt anschaulicher, konsistenter und lesbarer kommuniziert.

Spiegelt sich diese positive Entwicklung auch in den Abstimmungsergebnissen zu Vergütungspolitik und -bericht auf den Hauptversammlungen wider?

Dr. Pia Lünstroth: Überwiegend, ja. Gesetzlich gefordert ist die einfache Mehrheit der Hauptversammlung. Entscheidender ist jedoch, dass Investoren eine Zustimmungsquote bei 70 bis 80 % fordern und andernfalls Nachbesserungen verlangen. Und unter diesen strengeren Maßstäben sehen wir eindeutige Ausreißer.

Welche Unternehmen haben Sie konkret im Blick?

Dr. Pia Lünstroth: Beispielsweise sind Andritz und Erste Group mit rund 67% und 56% Zustimmung zur Vergütungspolitik auf der Hauptversammlung in 2020 deutlich abgestraft worden. In diesem Jahr weisen beide Unternehmen eine Zustimmung von über 90% auf. Das passt!
Jennifer S. Schulz: Unternehmen, die die Forderungen ihrer Investoren kennen, diese ernst nehmen und in ihren Vergütungssystemen und -berichten berücksichtigen, fahren in den Abstimmungen deutlich besser als jene, die noch relativ unbeschwert im Geiste der Zeit vor AktRÄG agieren und weiterhin diskretionäre Spielräume ausreizen wollen.

Ist das eine zentrale Erkenntnis Ihrer Analyse?

Dr. Pia Lünstroth: Unbedingt: Wer frühzeitig und professionell in den Dialog mit seinen Investoren geht, hat in der Regel die Chance auf ein gutes Abstimmungsergebnis und eine positive Außendarstellung.

Schauen wir auf die Vergütungshöhen: Welche Erkenntnisse können Sie hier vermitteln?

Jennifer S. Schulz: Zunächst einmal: Für die Vorstandsvorsitzenden, die bereits 2019 ganzjährig im Amt waren, sank die durchschnittliche Vergütung bestehend aus Grundvergütung sowie ein- und mehrjähriger variabler Bezüge um rund 11 %. Der Durchschnitt der Vergütungen liegt bei 1,74 Mio. Euro. Lässt man unterjährig ausscheidende Vorsitzende oder Neueintritte und somit Sonderzahlungen wie Abfindungen oder Sign-on Boni außer Acht, wird die Vergütungsspitze im ATX wie im Vorjahr durch den OMV-CEO besetzt. Für ihn ergibt sich eine Vergütung von 3,9 Mio. Euro.
Dr. Pia Lünstroth: Das alles sind Werte, die unter Berücksichtigung der Unternehmensgröße auch im internationalen Vergleich unauffällig sind. Interessanter aus unserer Perspektive: Durch den differenzierteren Vergütungsausweis ist nun erstmals eine saubere Pay for Performance Analyse möglich. Diese bestätigt, dass im Pandemiejahr die Vergütung überwiegend mit der Performance des Unternehmens atmet.

Wie haben ATX-Unternehmen aus Vergütungssicht auf die COVID-19 Pandemie reagiert?

Dr. Pia Lünstroth: Corona hat definitiv Spuren in der Vorstandsvergütung auch in ATX-Unternehmen hinterlassen. Je nach Branche gibt es Gewinner und Verlierer. Insbesondere in wirtschaftlich betroffenen Unternehmen bekommen die CEOs bedingt durch die rückläufige Zielerreichung geringere Boni ausgezahlt. Zum Beispiel verzeichnen die Vorstandsvorsitzenden von Lenzing und Uniqua einen kompletten Ausfall der Boni.
Jennifer S. Schulz: Mit Blick auf konkrete Vergütungsverzichte sind im ATX Andritz und CA Immo zu nennen. Hier verzichteten die CEOs freiwillig auf Teile ihrer Grundvergütung, bzw. der variablen Vergütung. Bei Wienerberger und Erste Group wurden Ansprüche aus variabler Vergütung nicht ausbezahlt, sondern aufgeschoben. Somit wurden stärkere Anreize für die Langfristerholung gesetzt.
Dr. Pia Lünstroth: In der Gesamtschau haben CEOs börsenotierter Unternehmen international deutlich stärker als im ATX das Instrument eines echten Vergütungsverzichts genutzt und so das Zusammengehörigkeitsgefühl im Unternehmen gestärkt.

Haben denn Aufsichtsratsvorsitzende im ATX auf Vergütung verzichtet?

Jennifer S. Schulz: Nein, einen Vergütungsverzicht des Aufsichtsrat hat es nicht gegeben. Die variable Vergütung, die nur noch drei Unternehmen vorsehen, ist jedoch auch hier deutlich gesunken und die Bezüge sind im Aufsichtsrat per se wesentlich geringer als beim Vorstand.
Sie spielen auf die nach wie vor geringen Bezüge von Aufsichtsräten in ATX-Unternehmen an…
Jennifer S. Schulz: … und diese sind vor allem mit Blick auf die Aufgabenvielfalt, Verantwortung und den Aufwand weiterhin alles andere als angemessen. Während das Vergütungsniveau der österreichischen Vorstände inzwischen zu dem vergleichbarer deutscher Unternehmen aufgeschlossen hat, hinkt die Aufsichtsratsvergütung deutlich hinterher.

Mit welchen Konsequenzen?

Dr. Pia Lünstroth: Der Durchschnittswert der Vergütung eines Aufsichtsratsvorsitzenden im ATX liegt bei rund 107.000 Euro, wobei das Gros der Unternehmen fünfstellige Bezüge gewährt. Mit solchen Vergütungsniveaus wird es für die ATX-Unternehmen schwer, die so wichtige Position des Aufsichtsratsvorsitzenden mit den besten Führungskräften zu besetzten, erst recht nicht aus dem Ausland. Die internationale Diversität wird nicht zunehmen.
Jennifer S. Schulz: Apropos Diversität: Der ATX zeichnet sich durch die Besetzung von immerhin 4 Aufsichtsratsvorsitzen durch eine Frau aus. Im Vergleich mit den Top-Indices anderer Länder, insbesondere Deutschland, ist das absolute Spitze!

Frau Dr. Lünstroth, Frau Schulz, vielen Dank für das Gespräch!

Autor Dr. Pia Lünstroth

Sie möchten mehr zum Thema wissen?

Vereinbaren Sie einen (Telefon-) Termin mit Dr. Pia Lünstroth