• DAX-Vorstandsvergütung erlebt größten Rückgang seit Veröffentlichungspflicht: durchschnittliche Bezüge der Vorstandsvorsitzenden im DAX sinken bisher bei stark rückläufiger Ertragslage um 28 % auf einen Durchschnitt von 5,3 Mio. Euro
  • Vergütungsverzichte und Sonderzahlungen im Rahmen der Pandemie

hkp/// group Geschäftsberichtsauswertung Vorstandsvergütung DAX 2020

Frankfurt am Main, 29. März 2021. Die COVID-19-Pandemie hinterlässt tiefe Spuren in der Vorstandsvergütung in Deutschland: Bei sehr heterogenen, aber im Durchschnitt mit -45 % deutlich geringeren Gewinnen sinken die durchschnittlichen Bezüge der Vorstandsvorsitzenden in DAX-Unternehmen im Geschäftsjahr 2020 um 28 % auf einen Wert von 5,3 Mio. Euro (2019: 7,4 Mio. Euro). Dies bedeutet den größten Rückgang einer Durchschnittsvergütung seit der Verpflichtung zur Vergütungstransparenz über das Vorstandsvergütungsoffenlegungsgesetz VorstOG im Jahr 2006. Gleichzeitig fällt der Wert für die nach DCGK auszuweisende tatsächlich zugeflossene Vergütung für ein Geschäftsjahr unter den Wert der Zielvergütung, wie ihn das HGB für die Mehrjahresvergütung fordert.

Entscheidende Faktoren für den Rückgang sind die erfolgsabhängigen variablen Bezüge. So sinken die durchschnittlichen Jahresboni der DAX-Vorstandsvorsitzenden in 2020 um rund 38 %, die durchschnittlichen zumeist aktienbasierten mehrjährigen variablen Vergütungen um rund 41 %.

Zu diesen Ergebnissen kommt die Analyse „hkp/// group Geschäftsberichtsauswertung Vorstandsvergütung DAX 2020“. Sie stützt sich auf die Angaben von 28 bislang veröffentlichten Geschäftsberichten der im Börsenindex DAX notierten Unternehmen für das zurückliegende Geschäftsjahr. Nicht berücksichtigt in 2020 sind die Vergütungsberichte der DAX-Werte Delivery Hero und Linde, deren Vergütungsberichte erst Ende April veröffentlicht werden. Die Analyse bezieht nach Empfehlung des Aktiengesetzes und DCGK alle Vergütungselemente, einschließlich Altersversorgung und Nebenleistungen, ein und stellt tatsächlich zugeflossene Vergütungen dar.

Für Michael H. Kramarsch, Managing Partner der hkp/// group, erweist sich das Geschäftsjahr 2020 als Zäsur: „Nie zuvor seit der verpflichtenden Veröffentlichung individueller Vorstandsvergütungen haben wir einen so deutlichen Rückgang im Durchschnitt der Vergütungshöhen gesehen. Die Pandemie hinterlässt nicht nur Spuren bei den Unternehmensgewinnen, sondern auch in den kurz- und langfristigen variablen Bezügen der Vorstandsvorsitzenden. Das ist Pay for Performance. Richtig, aber schmerzhaft. Aktionäre, Mitarbeiter und Vorstände tragen die Last gemeinsam.“

Und Regine Siepmann, Partnerin und Bereichsleiterin Board Services bei hkp/// group, ergänzt: „In unserer Analyse schlagen sich neben den Geschäftsergebnissen auch die zahlreichen individuellen Vergütungsverzichte und Sonderzahlungen für besondere Leistungen in der Pandemie nieder. Dessen ungeachtet zeigt sich: das Pay for Performance-Prinzip in der Vergütung von DAX-Vorständen wirkt. Die Vergütungssysteme der führenden börsennotierten Unternehmen in Deutschland haben den krisenspezifischen Lackmustest bestanden.“

Vergütungshöhen und Pay for Performance

Das aktuelle Vergütungsranking wird angeführt vom Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Post mit 10 Mio. Euro Gesamtvergütung einschließlich kumulierter Auszahlung variabler Bezüge früherer Jahre. Auf Platz 2 folgt der Vorstandsvorsitzende von Siemens mit 9,3 Mio. Euro.

Am unteren Ende der DAX-Rangreihe findet sich der Vorstandsvorsitzende von Beiersdorf mit Bezügen in Höhe von 2,1 Mio. Euro. Bei 15 Unternehmen beläuft sich die Gesamtvergütung des Vorstandsvorsitzenden auf einen Wert unterhalb des Durchschnitts von 5,3 Mio. Euro.

 

Top 3 Vergütungen Vorstandsvorsitzende DAX 2020

Gesamtvergütung

Deutsche Post

10,0 Mio. Euro

Siemens

9,3 Mio. Euro

Merck

  9,0 Mio. Euro

Geringste 3 Vergütungen Vorstandsvorsitzende DAX 2020

 

MTU

2,8 Mio. Euro

SAP

  2,2 Mio. Euro

Beiersdorf

  2,1 Mio. Euro

Abb.: Die höchsten und geringsten Gesamtvergütungen eines Vorstandsvorsitzenden im DAX für das Geschäftsjahr 2020 (DCGK-Zuflusstabelle, ganzjährig im Amt befindliche Vorstandsvorsitzende)

Im Geschäftsjahr 2020 ist bei acht Unternehmen mit gleichbleibenden Vorstandsvorsitzenden der Gewinn pro Aktie im Vergleich zu 2019 gestiegen. Der durchschnittliche Anstieg beträgt 37 %. Die zugeflossene Gesamtvergütung der entsprechenden Vorstandsvorsitzenden ist dabei um durchschnittlich 13 % gestiegen. Gleichzeitig ist bei 14 Unternehmen mit gleichbleibenden Vorstandsvorsitzenden der Gewinn pro Aktie im Vergleich zu 2019 gefallen, im Durchschnitt um 71 %. Die zugeflossene Gesamtvergütung der entsprechenden Vorstandsvorsitzenden ist dabei um durchschnittlich 7 % gesunken.

In acht Unternehmen verzichteten Vorstandsvorsitzende angesichts der Corona-Pandemie auf Teile ihrer Vergütung. Zumeist wurde auf Teile der Grundvergütung verzichtet, wobei die Höhen des Verzichts zwischen 80 Tsd. EUR und 283 Tsd. EUR schwanken. Einige Vorstandsvorsitzende verzichteten auf Teile der variablen Bezüge (z. B. Deutsche Bank) oder die gesamte variable Vergütung (z. B. adidas).

„Krisenbedingt sehen wir in diesem Jahr nicht nur historisch geringe variable Vergütungen, sondern eine noch nie dagewesene Spreizung bei den Boni. Dies spiegelt letztlich die gesamtwirtschaftliche Lage, in der einige Unternehmen nahezu unbeschadet durch die Krise kommen oder gar von ihr profitieren, andere massiv unter deren Auswirkungen leiden“, erklärt hkp/// group Corporate Governance Experte Michael H. Kramarsch.

Deutlich verbesserter Vergütungsausweis vs. zukünftig geringere Standards

Die aktuelle hkp/// group Analyse belegt, dass sich die Ausweispraxis zur Vorstandsvergütung im Vergütungsbericht weiter verbessert hat. Dabei zeigt sich, dass alle DAX-Unternehmen weiterhin freiwillig die bisherigen Mustertabellen nach DCGK nutzen. Allerdings werden diese ab kommendem Jahr auf Basis der europäischen Aktionärsrechterichtlinie bzw. deren Umsetzung in deutsches Recht (ARUG II) abgelöst. Aus Sicht der hkp/// group Studienautoren wird durch die neuen Vergütungsberichte nach § 162 AktG ohne die DCGK-Mustertabellen der bisherige, international führende regulatorische Standard im Vergütungsausweis deutlich abgesenkt.

„Die Unternehmen werden die Vergütungsberichte selbst in die Hand nehmen, nachdem Gesetzgeber und DCGK sich zurückziehen“, erklärt Nina Grochowitzki, Studienautorin und Partnerin im Bereich Board Services der hkp/// group. „Bis zum vergangenen Krisenjahr haben wir ein stetiges Wachstum bei den mehrjährigen variablen Vergütungen gesehen, die zusammen mit der Altersversorgung rund 60 % der gesamten Vergütung des Vorstands ausmachen. Umso erschreckender ist es, dass die gesetzlichen Transparenzvorschriften für genau diese Vergütungselemente nun verschwimmen.“ Die hkp/// group Analyse geht daher davon aus, dass viele Unternehmen das bisherige Ausweisniveau beibehalten werden. Wo das nicht der Fall sein sollte, werden insbesondere institutionelle Investoren nachdrücklich die entsprechende Praxis einfordern, hatten doch viele von ihnen bereits explizit auf die DCGK-Mustertabellen verwiesen.

Autor Regine Siepmann

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