Das Interesse an der strategischen Personalplanung scheint einem zyklischen Verlauf zu folgen. In den Jahren 2010 bis 2013 erlebte sie einen regelrechten Hype und avancierte zu einem Gradmesser von HR-Organisationen auf ihrem Transformationspfad zu einer strategisch denkenden und handelnden Personalfunktion mit engem Bezug zu den Geschäftseinheiten. Nach einer zwischenzeitlichen Abkühlung des Interesses unterstreichen aktuell die krisenbedingten Herausforderungen im HR-Management die Notwendigkeit einer effektiven strategischen Planung.

In einem Interview-Zweiteiler blickt hkp.com auf die Rolle und Bedeutung von SPP in vergangenen Krisensituationen bei Energieversorgern wie auch bei Finanzdienstleistern zurück, identifiziert charakteristische Muster und diskutiert mögliche Rückschlüsse für andere Branchen. Im Auftakt-Interview stellen sich die hkp/// group Themen- und Branchenexperten Isabel Jahn und Holger Jungk den Fragen. Beide waren zuvor in HR-Führungsrollen tätig und haben sich in der Unternehmens- wie Beratungspraxis intensiv mit der Konzeption und Umsetzung strategischer Personalplanung auseinandergesetzt.

Herr Jungk, die hkp/// group unterstützt Unternehmen bei der Planung und Umsetzung der strategischen Personalplanung. Was konkret ist unter dem Begriff zu verstehen?
Holger Jungk:
Die strategische Personalplanung befasst sich mit Fragestellungen rund um den zukünftigen quantitativen und qualitativen Bedarf an Mitarbeitern. Dazu zählt die Analyse des aktuellen Personalkörpers und insbesondere die Planung der zukünftigen Personalstruktur abgeleitet aus der Unternehmensstrategie.
Isabel Jahn: … und das ist kein ein für alle Mal in Blei gegossenes Szenario. Durch die aktive Auseinandersetzung mit verschiedenen Szenarien wird die Handlungs- und Reaktionsfähigkeit, insbesondere in Krisensituationen, erhöht.

Stehen in Krisenzeiten daher die Kosten im Mittelpunkt?
Holger Jungk:
Nicht notwendigerweise, wenngleich natürlich Unternehmen derzeit stärker gefordert sind, ihre (Personal)-Kosten strategisch managen zu können. Kosten sind allerdings nicht zwingend Bestandteil der strategischen Personalplanung. Hier geht es vor allem um konkrete Bedarfe hinsichtlich Qualität und Quantität der Belegschaft - zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Aber ja, aktuell werden häufig auch Kostenkomponenten in die strategische Personalplanung aufgenommen, um eine bessere Kontrolle und Steuerung zu ermöglichen.

Warum widmen sich Unternehmen dann in der Krise vermehrt der strategischen Personalplanung?
Isabel Jahn:
Viele Unternehmen sehen sich in der aktuellen Krise mit großen Herausforderungen konfrontiert. Bisherige Planungen unter der Annahme eines normalen Geschäftsverlaufs sind vielfach hinfällig. Damit hat die Planung von Zukunftsszenarien und deren Implikationen für das jeweilige Geschäftsmodell, die laufenden Kosten, die mengenmäßige Mitarbeiterausstattung und die benötigten Skills enorm an Bedeutung gewonnen.
Holger Jungk: Geschäftsleitungen suchen aktuell Antworten auf viele Fragen: Wie müssen wir unser Unternehmen personalseitig aufstellen, um die Krise zu meistern? Welche Mitarbeitergruppen sind zwingend zu halten oder gar zu stärken? Wo braucht es Abbauszenarien? Derartige Fragestellungen können mit einer gut konzipierten strategischen Personalplanung Szenario-basiert beantwortet werden.

Doch die derzeitige Krise trifft Unternehmen in sehr unterschiedlichem Ausmaß.
Holger Jungk:
Das ist richtig. Automobilindustrie, Gastronomie oder Reisebranche leiden bekanntermaßen sehr stark unter der Krise, wohingegen die Pharma- und IT-Branche teils von der aktuellen Situation profitieren. Aus welcher Perspektive auch immer sie in den Markt schauen: Letztlich ist die strategische Personalplanung hilfreich. Nur mit der Kenntnis um den realen Zustand des aktuellen Personalkörpers und darauf basierender konkreter Zukunftsplanungen können Abweichungen schnell und zuverlässig diskutiert und entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden - ob nun unter der Prämisse Boom oder Krise.

Was lässt sich denn beispielsweise aus den Erfahrungen der Finanzkrise ableiten? Mit welchen Besonderheiten in der strategischen Personalplanung mussten Finanzdienstleister in der damaligen Krise umgehen?
Isabel Jahn:
Während der Finanzkrise war ich in einer Bank verantwortlich für die Bereiche Personalgrundsatzfragen, Vergütung und Personalcontrolling. Die Krise hat uns personalseitig vor zwei große Herausforderungen gestellt: Einerseits galt es, bedingt durch grundlegende Strukturveränderungen, Personal abzubauen. Gleichzeitig mussten entsprechend der veränderten Aufstellung und den zunehmenden regulatorischen Anforderungen in einigen Bereichen Mitarbeiter mit neuen Profilen rekrutiert werden.

Bei einer extrem angeschlagenen Attraktivität der Branche…
Isabel Jahn:
Das Image der Branche war aufgrund der Krise in der Tat stark angeschlagen. Vielfach begannen sich die Mitarbeiter fast schon zu entschuldigen, in einer Bank zu arbeiten. Dadurch wurde es zunehmend schwieriger, qualifizierte Mitarbeiter zu finden oder zu einem Wechsel zu motivieren.

Wie hat Ihnen die strategische Personalplanung in der Bewältigung dieser Aufgabe geholfen?
Isabel Jahn:
Eine große Herausforderung – sowohl in Bezug auf den Personalabbau als auch den -aufbau – war, dass die relevante Datenbasis erst zwischen HR und Finance abgestimmt werden musste. Trotz eines bestehenden HR-Systems brauchte es zunächst die Einigung auf qualitative und quantitative Kriterien für die Berichterstattung und einen aussagekräftigen Forecast. Außerdem war es nötig, zusätzliche Informationen zu erheben, die im System zu dem Zeitpunkt noch nicht einheitlich abgebildet waren, insbesondere demografische Daten und Performance-Kennzahlen. Auf dieser Basis wurden dann einheitliche Reporting-Strukturen aufgebaut, um das Management abgestimmt und zielgerichtet über den Fortschritt der Personalmanagement-Maßnahmen zu informieren und eine Grundlage für die strategische Steuerung zu schaffen.
Holger Jungk: Dieses Muster ist in der aktuellen Krise auch außerhalb der Finanzbranche nicht untypisch: Oft bleibt den Unternehmen ohne entsprechende Grundlagen nichts anderes übrig, als eine gemeinsame Datenbasis von HR, Finance und Controlling aufzubauen – der erste Schritt in ein zukunftsgerichtetes Krisenmanagement.

Und erst dann kann eine wirkliche strategische Personalplanung erfolgen…
Isabel Jahn:
Genau! Zumindest für Banken und Finanzdienstleister kann ich sagen, dass diese Defizite vielfach erkannt und in der Folge in den Ausbau von HR- Systemen investiert wurde. Auch wenn man sich nicht für jede Krise wappnen kann,- letztlich gilt, dass man sich mit derartigen Grundlagenthemen besser nicht beschäftigen muss, wenn man mitten in der Krise steckt.
Holger Jungk: Ich würde das auch im industrieübergreifenden Blick bestätigen. In der aktuellen Krise sind die Unternehmen datenseitig häufig in einer wesentlich besseren Ausgangslage als in der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise. Vielfach ist auch eine engere Abstimmung zwischen den Fachverantwortlichen und HR Business Partnern und dann wiederum mit dem Controlling-Bereich gegeben, was wiederum die Voraussetzung für gute Governance-Prozesse ist.

Welche weiteren Empfehlungen können Sie Unternehmen mit Blick auf die strategische Personalplanung in der aktuellen Phase geben?
Isabel Jahn:
Neben dem engen Austausch von HR, Finance und dem Business sowie einer abgestimmten Datenbasis für den qualifizierten Headcount-Forecast wäre auch die durchgehende Verfügbarkeit von Skill-Profilen und Szenarien-Betrachtungen zielführend. So könnten weiterführende Informationen – abgesehen von der reinen Headcount-Betrachtung – gewonnen werden: zum Beispiel darüber, welche Bereiche in Zukunft gefragter sein könnten, mehr Personal erfordern werden und welche Skills in welcher Stärke dafür notwendig sind, aufgebaut oder eingekauft werden müssen.
Holger Jungk: Wie eingangs erwähnt kann auf der anderen Seite auch eine Verknüpfung mit Vergütungsdaten und Personalkosten sinnvoll sein. Gerade im Kontext von Krisen und einem erforderlichen Personalabbau sollten dann Vergütungsstrukturen berücksichtigt werden. Denn es ist ja immer die entscheidende Frage: Wieviel Kosten kann ich in welchen Bereichen und auf welchen Ebenen einsparen – im Abgleich mit den künftig benötigten Skills spielt auch das jeweilige Vergütungsniveau eine entscheidende Rolle.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Teil 2 der Interview-Serie blickt auf die strategische Personalplanung bei Energieversorgern und hier insbesondere auf die branchenspezifischen Handlungsmuster in der Krise sowie die Lehren daraus.

Autor Isabel Jahn

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