Die Corona Pandemie stellt Unternehmen vor Herausforderungen, deren Ausmaß noch nicht absehbar sind. Auch HR ist mit erheblichen Aufgaben konfrontiert – vom grundsätzlichen Krisenmanagement bis zur Ausgestaltung bewährter HR-Instrumente im Zuge der Krise. Vor allem das Managen der Strukturkosten gewinnt gerade an Bedeutung. Hier kann das Grading eine Schlüsselrolle einnehmen – wenn es als ganzheitlicher Navigator für die Organisation mehr Effizienz schafft. Hintergründe und Details verraten die hkp/// group Expert:innen Verena Vandervelt und John Pfeiffer.

Frau Vandervelt, Herr Pfeiffer, viele Unternehmen fahren angesichts der COVID-19-Krise derzeit ihren Betrieb herunter: Spielt Grading aktuell oder insgesamt bei der Bewältigung der Situation überhaupt eine Rolle?
John Pfeiffer:
Ja, das tut es – allerdings auf sehr unterschiedliche Weise. Sicher ist die Stellen- und Funktionsbewertung in manchen Unternehmen derzeit auf Eis gelegt. Doch längst nicht alle Unternehmen „fahren herunter“. Wie wir alle im Supermarkt beobachten können: Es gibt auch Profiteure. Abgesehen vom Lebensmittelhandel sind das Unternehmen im Gesundheits- und Medizinbereich sowie Unternehmen im Online-Geschäft. Das Bild ist vielfältig.
Verena Vandervelt: Richtig angewandt schafft Grading strukturelle Effizienz und damit auch Kosteneffizienz, was für die Bewältigung dieser Krise zentral sein wird. Aber bleiben wir zunächst bei der aktuellen Situation: Alle arbeiten ja so gut es geht weiter – oft aus dem Home Office unter Zuhilfenahme digitaler Kommunikationsmittel. Die Krise treibt neue Formen der Zusammenarbeit voran, die potenziell auch das Zeug dazu haben Jobs zu verändern.

Glauben Sie tatsächlich, dass sich die Arbeit durch COVID-19 ändern wird?
Verena Vandervelt:
Natürlich kann man das derzeit noch nicht sicher beurteilen, aber zu glauben, dass alles beim Alten bleibt, wäre doch ebenso naiv. Virtuelle Formen der Zusammenarbeit funktionieren nicht nur technisch, auch zwischenmenschlich – aus der Not wird eine Tugend. Die Zusammenarbeit wird aktuell etwas agiler.
John Pfeiffer: Es ist viel Bewegung in die Arbeitswelt gekommen. Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse, die man beim Thema remote Work für sehr komplex oder so nicht umsetzbar hielt, funktionieren plötzlich oder haben sich innerhalb von wenigen Wochen Home Office weiterentwickelt. Dabei merkt man auch, was für eine wichtige Rolle gute Management-Kommunikation im Sinne des sogenannten „remote Leadership“ spielt.

Also kein „Zurück in die Zukunft“ nach Corona?
John Pfeiffer:
Wahrscheinlich nicht komplett, die größere Flexibilität wird bleiben. Aber auch die schnelle Vorbereitung, Abstimmung und Adjustierung von Entscheidungen.
Verena Vandervelt: Und da sich die meisten Unternehmen ohnehin in der Transformationen befanden und befinden, erleben wir hier letztlich einfach nur eine Beschleunigung – also nein, keine komplette Rückkehr zum Alten nach COVID-19.

Was meinen Sie mit der Beschleunigung der Transformation?
Verena Vandervelt:
Folgt man Studien, die sich mit der Finanzmarktkrise und deren Auswirkungen befassen, wird erwartet, dass die Anzahl der Transaktionen – also Verkäufe, Carve-Outs, Joint Ventures etc. – mit dem Auslaufen der COVID-19-Krise zunehmen wird. Insbesondere Unternehmen mit enger Liquiditätsdecke werden nun zu Maßnahmen greifen müssen, die sie sonst vielleicht hätten vermeiden oder hinaus zögern können. Auch eine Abkühlung überhitzter Verkaufspreise wird erwartet.
John Pfeiffer: Nach wie vor ist eine Menge Geld im Markt. Private Equity Teams und auf Transaktionen spezialisierte Unternehmen arbeiten derzeit auf Hochtouren.

Was heißt das konkret?
Verena Vandervelt:
Der Druck nach Synergien und Kostenersparnis wird sich verstärken und beschleunigen. Gehen zwei ähnliche Einheiten zusammen, will man Synergien und Skalen-Effekte erreichen. Bei einer Abspaltung will man vielleicht ein Konglomerat entflechten, um schneller oder fokussierter zu agieren.
John Pfeiffer: Dieses Umfeld bietet natürlich Gelegenheiten, kritische Entscheidungen schonungsloser anzusprechen und zu forcieren. Vor COVID-19 haben sich gerade Unternehmen in Privatbesitz damit eher schwer getan. Im Zuge der Coronakrise geht das vielleicht nicht mehr.
Verena Vandervelt:  Auch die Entwicklung zu wendigeren Konzernen, „vom Tanker zum Flottenverband“, sowie das Einsparen von Berichtsebenen, das sogenannte „De-layering“, werden wir in dem Kontext wohl verstärkt sehen.

Und was bedeutet das nun für das Grading?
John Pfeiffer: Hat man in früheren Krisen, die von außen kamen, die Prozesse um das Grading vorübergehend eingestellt und die Krise beziehungsweise deren Folgen abgewartet, ist man als Grading-Verantwortlicher nun gut beraten, vorbereitend tätig zu werden. Es gilt, sich auf diese Entwicklungen einzustellen, seine Hausaufgaben zu machen. Auch um in der eigenen Rolle relevant zu bleiben.

Wie sollte man das denn angehen?
Verena Vandervelt: 
Es bedarf zunächst einer SWOT-Analyse. Stärken, Schwächen, Opportunitäten und Bedrohungen für und mit Bezug auf die Grading-Technik, die Ablauf-Prozesse zur „Maintenance“ und zur Governance sollten dabei abgeklopft werden. Und im Anschluss gilt es, couragiert nach vorne zu gehen, die Initiative zu ergreifen und die notwendigen Änderungen zu initiieren.
John Pfeiffer: Man sollte nicht vergessen, dass Grading eine organisationspolitische Bedeutung hat. Unternehmen fragen beispielsweise zunehmend nach Angaben zur Management-Kontingentierung: Wie viele Führungskräfte brauchen wir? Was ist „Best in Class“ im Markt? Wie stellen sich andere Unternehmen mit vergleichbarer Wertschöpfung auf? Diese Tendenzen gab es bereits vor COVID-19. Durch die Krise werden sie sich jedoch verstärken.

Erfährt Grading somit sogar eine andere Rolle?
John Pfeiffer:
Ja, Grading ist ein wesentlicher Treiber von Strukturkosten und dies wird künftig bedeutender. Bisher wurde eine Stelle genau beschrieben. Wenn sie genehmigt wurde, wurde sie auch bewertet. In der Regel hat der Kandidat die Stelle mit dem entsprechenden Grade und der jeweiligen Vergütungsausstattung auch bekommen. Künftig werden Unternehmen ganzheitlicher denken: Wird eine Stelle mit einer solchen Wertigkeit benötigt? Welchen Wert kann sie generieren und ist sie im Gesamt-Kontext überhaupt erforderlich? Geht das auch anders, sprich günstiger? Passt sie ins Budget?
Verena Vandervelt: Grading wird dadurch ein stärkerer Navigator für die Organisation – für ihre Funktionsweise, Effizienz und Kostenstruktur. Wir sehen bereits jetzt, dass Unternehmen das Grading nach wie vor im HR-Ressort verankern, und parallel im Ressort des Vorsitzenden eine Organisations-Kompetenz beim Strategie-Bereich ansiedeln. Als Gegengewicht sozusagen – gleichzeitig aber auch eine Aufwertung für Grading und Funktionsbewertungen, da sie einen nachhaltigen Beitrag zur Ausgestaltung effizienter Organisationen leisten.

Frau Verena Vandervelt,  Herr Pfeiffer, vielen Dank für das Gespräch!

 

Autor John Pfeiffer

Sie möchten mehr zum Thema wissen?

Vereinbaren Sie einen (Telefon-) Termin mit John Pfeiffer