Die hkp/// group Vergütungsexperten Petra Knab-Hägele und Michael H. Kramarsch im Gespräch mit hkp.com zu den Möglichkeiten einer flexiblen Wandlung von Bonuszahlungen und Solidarbeiträgen in Beteiligungen am Unternehmen.

Frau Knab-Hägele, Herr Kramarsch, Sie schlagen die Wandlung von Bonuszahlungen und Solidarbeiträgen in Mitarbeiterbeteiligung vor. Was ist der Hintergrund?
Petra Knab-Hägele: Die Wandlung von Bonuszahlungen aber auch von Solidarbeiträgen in Form von Gehaltskürzungen, zukünftigen Gehaltserhöhungen etc. in Beteiligung ist ein möglicher Weg, um grundlegenden Anliegen von Arbeitgebern wie Arbeitnehmern in der aktuellen Krise entgegen zu kommen – ein Weg, den wir bereits auch in der Praxis erfolgreich umgesetzt haben.
Michael H. Kramarsch: Die Vorteile einer solchen Wandlung liegen auf der Hand. Alle Seiten profitieren von Teilhabe und letztlich tut dies auch die Gesellschaft, indem ein breiter Teil der Bevölkerung Zugang zu hoch ratierlichen Anlageklassen erhält und damit Vermögensungleichheiten entgegengewirkt wird.

Wie erleben sie die aktuelle Lage bei Ihren Kunden?
Petra Knab-Hägele:
Zur Sicherung der Lebensfähigkeit der Betriebe hat die Absicherung der Liquidität oberste Priorität. Aktuell schließen Unternehmen Produktionsstätten und Filialen, auf breiter Front brechen die Abnehmer für Produkte und Dienstleistungen weg, Unternehmen setzen auf Arbeitszeitreduktion, Kurzarbeit, Zwangsurlaub und führen keine Entgeltanpassungen durch. Neben der Gesundheit der Mitarbeiter geht es darum die Produktions- und Lieferfähigkeit nach der Krise aufrecht zu erhalten. Dazu gehört auch ein besonnener Umgang mit betriebsbedingten Kündigungen.

Wie genau lässt sich der Nutzen der Wandlung von Bonuszahlungen und Solidarbeiträgen für die verschiedenen Lager umreißen?
Michael H. Kramarsch:
Der Wandel von Bonuszahlungen sowie Solidarbeiträgen in Beteiligung dient in diesen kritischen Zeiten der Absicherung der Liquidität. Gerade die aktuellen Bonusauszahlungen verschärfen nun die angespannte Liquiditätssituation, da sie sich noch auf das zurückliegende, in der Regel sehr erfolgreiche Geschäftsjahr beziehen und daher entsprechend hoch ausfallen.

Für einzelne Branchen werden auch von aufsichtlicher Seite Forderungen lauter, besonnen mit der Auszahlung von Boni umzugehen…
Petra Knab-Hägele:
Zum Beispiel empfiehlt die BAFIN Banken und Finanzdienstleistern in Anlehnung an die EU-Regulierungs- und Aufsichtsinstanzen und internationale Standardsetzer angesichts der hohen Ungewissheit über die weiteren Entwicklungen von Aktienrückkäufen Abstand zu nehmen sowie Ausschüttungen von Dividenden, Gewinnen und Boni sorgfältig abzuwägen.

Die Bonuszahlungen sind doch aber weitgehend schon erfolgt?
Petra Knab-Hägele:
Das stimmt nur zum Teil. Bei rund drei Viertel der großen Unternehmen werden die Boni im zweiten Quartal ausbezahlt. Außerdem geht es nicht nur um Bonuszahlungen.

Welche Möglichkeiten bieten sich darüber hinaus?
Michael H. Kramarsch:
Das Prinzip des Wandels in Beteiligung gilt auch für noch zu verhandelnde Solidarbeiträge im Rahmen der Krise. Ich denke da an Gehaltskürzungen oder auch den Verzicht auf eigentlich fällige Gehaltserhöhungen. Würden diese Solidarbeiträge ganz oder teilweise in Anteile des Unternehmens gewandelt, schont das die Liquidität und beteiligt gleichzeitig Arbeitnehmer, um sie später – anders als beispielsweise bei simplen aufgeschobenen Vergütungen – überproportional an der gemeinsam erarbeiteten Wertaufholung teilhaben zu lassen.

Aber nicht jeder Mitarbeiter will und kann auf seine Bonuszahlung verzichten…
Petra Knab-Hägele:
…erst recht nicht in der aktuellen Situation. Grundsätzlich können Unternehmen bei bereits erdienten variablen Bezügen nur mit entsprechenden individuell ausgerichteten Angeboten agieren. Bei den Solidarbeiträgen sieht das anders aus. Diese sind ja nach vorn gerichtet und werden in der Regel im Rahmen von Kollektivvereinbarungen verhandelt. Hier kann das Thema Beteiligung aktiv als intelligente (Teil-) Kompensation für einen wie auch immer gearteten mitarbeiterseitigen Verzicht eingebracht werden.

Ohne zu technisch zu werden: Wie kann eine solche Beteiligung ausgestaltet sein?
Petra Knab-Hägele:
Die entsprechenden Regelungen sind natürlich unternehmensspezifisch auszugestalten. Aber denkbar wäre zum Beispiel folgendes Schema: Mitarbeiter erhalten das Recht auf Aktien in drei Jahren. Die gewährten Rechte sind unverfallbar, aber noch nicht in der Verfügungsgewalt der Berechtigten, die mit dem ersten Tag an der Aktienkursentwicklung partizipieren. Alternativ können Teile der Vergütung auch als echte oder virtuelle Wertsteigerungsrechte begeben werden. Die Berechtigten würden eine höhere Anzahl an Wertsteigerungsrechten erhalten als an Aktien, was den Hebel bei steigenden Aktienkursen deutlich erhöht. Nach der Krise, wenn der positive Liquiditätseffekt gewirkt hat, kann im Detail entschieden werden, ob Gewinne in Geld oder in Aktien bedient werden.

Gibt es noch andere Wege, um die angesprochenen Solidarbeiträge von Mitarbeitern später zu kompensieren – ist Beteiligung der einzige Weg?
Petra Knab-Hägele:
Selbstverständlich sind andere Lösungen möglich. Ein einfacher Aufschub der Vergütung über drei Jahre mit einer Verzinsung, die von der positiven Geschäftsentwicklung oder Wertaufholung abhängt, sind genauso denkbar wie die Umwandlung in Darlehen oder Genussrechte.

Worin genau liegen die Vorteile einer Beteiligung am Unternehmen?
Michael H. Kramarsch:
Die Vorteile sind bestechend: So wird in einer kritischen Phase zu günstigen Einstiegskursen eine stabile Eigentümerschaft geschaffen, die gerade in Krisenzeiten nicht unwahrscheinliche Übernahmen durch aktivistische Investoren, Hedgefonds etc. erschwert. Zudem sei an die generellen Vorteile einer Mitarbeiterbeteiligung erinnert: eine langfristig orientierte und stärker motivierte Belegschaft oder die enge Bindung erfolgskritischer Experten ans Unternehmen. Gerade letztere werden im Aufschwung dringend benötigt.

Wie steht es um das Risiko aus Mitarbeiterperspektive?
Petra Knab-Hägele:
Diese gesamte Krise ist ein einziges Risiko, das in seiner aktuellen Dimension noch nicht klar abzusehen ist. Gesellschaft, Unternehmen und Mitarbeitende müssen es aber gemeinsam tragen. Kurzarbeitergeld, Überbrückungsgarantien etc. sind staatliche Stützungsmaßnahmen. Die Option einer Unternehmensbeteiligung ist ein unternehmerisches Angebot, den wahrscheinlich notwendigen Solidarbeitrag von Arbeitnehmern in der Krise in Form von Gehaltsverzicht etc. mit einer Chance zu koppeln, die es anders nicht gäbe.
Michael H. Kramarsch: Wir alle glauben an den Aufschwung und sollten uns an dieser Perspektive ausrichten. Sie ist nicht frei von Risiko, aber  die Chance ist aktuell eben auch deutlich überproportional.

Beim Thema Mitarbeiterbeteiligung tuen sich Aktiengesellschaften in der Regel leichter. Schließen Ihre Überlegungen zum Wandel von Solidarbeiträgen in Teilhabe auch andere Unternehmenstypen ein?
Petra Knab-Hägele: Auch kleine und mittlere Unternehmen mit anderer Rechtsform als einer Aktiengesellschaft können ihren Mitarbeitenden diesen Wandel ermöglichen, zum Beispiel über virtuelle Beteiligungsformen wie Genussscheine und Wertsteigerungsrechte oder den oben bereits genannten verzinsten Aufschub oder Darlehen. Auch diese Unternehmen können damit aktuell Liquidität schonen und Mitarbeiter an der positiven Entwicklung beteiligen.

Wie offen zeigen sich Unternehmen für die Wandlung von Solidarbeiträgen der Belegschaft in Mitarbeiterbeteiligung?
Michael H. Kramarsch:
Das Interesse ist relativ hoch, was nicht verwundert. Alle Unternehmen sind derzeit auf der Suche nach Mittel und Wegen, die sie bestmöglich durch die aktuelle Krisensituation bringen. Aber das ist ja nur eine, wenngleich in vielerlei Hinsicht sehr wirksame Maßnahme.

Frau Knab-Hägele, Herr Kramarsch, herzlichen Dank für das Gespräch!

Autor Petra Knab-Hägele

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