Frau Knab-Hägele, Herr Dörrwächter, für einen erfolgreichen Börsengang sind zahlreiche Vorarbeiten nötig, so auch im Bereich des Personal- und Vergütungsmanagements. Geht es denn nur darum, die Bezüge der Vorstände anzuheben…?

Petra Knab-Hägele: Vor einem Börsengang sollte die Vergütungs- und Performance Management-Systeme für den Vorstand, die Führungskräfte wie auch für die weiteren Mitarbeiter unter die Lupe genommen und kritisch vor dem Hintergrund der neuen Rahmenbedingungen einer Notierung des Unternehmens an den Kapitalmärkten überprüft werden.

Jan Dörrwächter: Dabei geht es neben den Höhen auch um die Struktur und Ausgestaltung der Vergütungssysteme, die jeweils den gesetzlichen wie regulatorischen Anforderungen börsennotierter Unternehmen entsprechen muss.

Lassen Sie uns konkret werden: Was ist bei den Vorständen zu beachten?

Jan Dörrwächter: Hinsichtlich der Vorstandsvergütung stellen sich verschiedene Fragen: Entsprechen Vergütungshöhen und -struktur den regulatorischen Anforderungen sowie den Anforderungen neuer Investoren? Ist das Anreizsystem so gestaltet, dass es das Erreichen der Unternehmensziele optimal unterstützt?

Petra Knab-Hägele: Auch muss die Vergütung den im Aktiengesetz und im Deutschen Corporate Governance Kodex definierten Anforderungen entsprechen, d.h. in erster Linie, dass die Vergütung der Vorstände in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben und Leistungen sowie zur Lage der Gesellschaft steht und marktgerecht ausgestaltet sein muss. Dies gilt sowohl für die Zielvergütung wie auch für die ausbezahlte und die Maximalvergütung. Insbesondere die variablen Anteile sollen dabei auf eine nachhaltige Unternehmensentwicklung ausgerichtet sein.

Welche Vergütungsbestandteile sind in diesem Zusammenhang genauer zu betrachten?

Jan Dörrwächter: Alle – vom Grundgehalt über die kurzfristige wie langfristige variable Vergütung bis hin zur Altersversorgung und zu den Nebenleistungen. Die Kunst ist es, alle Elemente so aufeinander abzustimmen, dass tatsächlicher Mehrwert geschaffen und angemessen honoriert wird.

Lässt sich das Vergütungssystem für den Vorstand auf die Führungskräfte übertragen?

Petra Knab-Hägele: Weitgehend. Aber es ist durchaus überlegenswert, welche Vergütungselemente nach dem Prinzip der unternehmensinternen Durchgängigkeit auch auf die Ebene der Führungskräfte übertragen werden und wo gezielte Änderungen zweckmäßig sind.

Was sind denn Bereiche, in denen es zwingend Unterschiede in beiden Vergütungswelten gibt?

Petra Knab-Hägele: Nun, da sind die Höhe der variablen Vergütung, deren Auszahlung, die in der Regel anders als in Vorstandssystemen bis auf wenige branchenspezifische Ausnahmen nicht aufgeschoben wird, die Berücksichtigung der individuellen Leistung über Ziele oder eine Verhaltensbeurteilung, die oft in den Systemen für Führungskräfte konkreter verankert sind und mit den entsprechenden Performance-Management-Prozessen unterstützt werden.

Jan Dörrwächter: Zu nennen sind auch erforderliche Eigeninvestments in Aktien des Unternehmens oder die Zuteilung von LTI an Potenzialträger. Mit Blick auf letzteres stellt sich in der Tat oftmals die Frage nach einer einheitlichen Identifikation und Definition des oberen Führungskreises.

Petra Knab-Hägele: Bei Führungskräften ist zudem die Gefahr der Abwerbung zu reduzieren. Hier muss der Vorstand Führungs- und Anreizsysteme etablieren, die so konzipiert sind, dass sie Führungskräfte ans Unternehmen binden und die Verwirklichung der Unternehmensstrategie fördern.

Inwiefern sind die von Ihnen thematisierten Notwendigkeiten in der Anpassung von Vergütungssystemen auch für die Mitarbeiterebene relevant?

Jan Dörrwächter: Ein Stichwort hier ist die Belegschaftsaktie. Als einmalige Honorierung beim Börsengang oder auch als dauerhaftes Element der Unternehmensbeteiligung, Altersversorgung und als weitere Einkommensquelle.

Petra Knab-Hägele: Die Mitarbeiterbindung durch Belegschaftsaktien ist in der Tat nicht zu unterschätzen. Es gibt viele gute Programme, die durch eine Kapital- und Erfolgsbeteiligung die Identifikation mit dem Unternehmend deutlich erhöht haben. Wenn dann auch noch im Rahmen eines so genannten Matchings eigenes Geld eingesetzt und vom Unternehmen je nach Höhe des Mitarbeiterinvestments unterschiedlich hoch gefördert wird, kann dies zu einer hohen Loyalität gegenüber dem Unternehmen führen, aber eben auch zu finanziellen Vorteilen für den einzelnen Mitarbeiter.

Wer muss aktiv werden, um den Prozess der Überprüfung von Vergütungssystemen in der Vorbereitung eines Börsengangs anzustoßen?

Petra Knab-Hägele: Es sind die klassischen Verantwortungsbereiche: Vergütungsfragen des Vorstands liegen in der Verantwortung des Aufsichtsrats. Dieser sollte frühzeitig aktiv werden, um vor der Festlegung des Börsenprospekts alle relevanten Themen beraten, beschlossen und mit den Beteiligten vereinbart zu haben. Die Vergütung der weiteren Führungskräfte wie auch der Mitarbeiter wird durch den Vorstand verantwortet.

Wie lange können die Vorbereitungen dauern?

Jan Dörrwächter: Nach unserer Erfahrung sollten mindestens drei bis sechs Monate dafür eingeplant werden. Und danach sollte wiederum ausreichend Zeit für den Vorstand reserviert werden, sich mit der Vergütung der Führungskräfte und übrigen Mitarbeiter auseinander zu setzen.

hkp/// begleitet in diesem Jahr mehrere Unternehmen bei einem Börsengang. Welchen Nutzen hat die Einbindung eines externen Vergütungsspezialisten für das jeweilige Unternehmen?

Jan Dörrwächter: Aufgrund der speziellen, meist einmaligen Thematik, der Vielfältigkeit der Lösungsansätze und der in solchen Phasen knappen internen Ressourcen ist die Einschaltung von Spezialisten, die die gesamte Klaviatur im Vergütungsmanagement bespielen können, gerade bei einem Börsengang ein ökonomisch sinnvoller Weg.

Petra Knab-Hägele: Wichtig ist auch die integrierte Sicht auf die behandelten Themen. Je nach konkreter Ausgangssituation hilft es nicht, hier und dort ein Schräubchen zu drehen. Erst in der Gesamtschau ergeben sich oft tragfähige Lösungen, die ein Unternehmen auf die neue Situation der Notierung am Kapitalmarkt auch aus Vergütungssicht vorbereiten.

Frau Knab-Hägele, Herr Dörrwächter, vielen Dank für das Gespräch!

Autor Petra Knab-Hägele

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