Performance Management und dessen Auswirkungen auf die Entwicklung und Vergütung von Managern und Mitarbeitern ist nach wie vor ein dominierendes Thema auf der HR-Agenda. hkp.com im Gespräch mit Joachim Kayser und Dr. Harriet Sebald zu aktuellen Trends und den Auswirkungen der Verknüpfung von individueller Leistung und Vergütung.
 
Frau Dr. Sebald, Herr Kayser, es scheint, als ob kein HR-Prozess mehr Unzufriedenheit unter Managern und Mitarbeitern stiftet als Performance Management. Warum ist das so? 
Joachim Kayser: In der Tat wird Performance Management vielfach als kosten- und zeitintensiver Weg gesehen, Menschen unglücklich zu machen. Die Art wie wir Ziele setzen, Feedback geben und individuelle Leistung messen, kann für Mitarbeiter demotivierend sein und damit sogar einen negativen Einfluss auf ihre Leistung haben. Zu diesem Resultat kommen auch wissenschaftliche Studien, die aufzeigen, dass manche Performance-Management-Systeme unbeabsichtigt ein Denken fördert, das beispielsweise der Entwicklung von Talenten entgegensteht.
Dr. Harriet Sebald: Aus diesem Grund wird der Lehrbuchansatz zum Performance Management, nach dem Mitarbeiter und Manager gemeinsam Ziele und gewünschtes Verhalten definieren, Manager die Performance ihrer Teammitglieder prüfen, in Gremien evaluieren und die Ergebnisse dieses Prozesses Mitarbeitern als Basis für deren Vergütung und Entwicklung mitteilen, in Frage gestellt.
 
Inwiefern gibt es Anzeichen, dass existierende Ansätze nicht funktionieren und was kann diese ersetzen?
Joachim Kayser: Viele der heute verwendeten Performance Management Systeme, vor allem jene mit einem formelhaften Ansatz, weisen eine Balanced-Score-Card-Basis auf - erweitert um Management-by-Objectives: Ziele werden hier in der Regel vom Management festgelegt und top-down kommuniziert. Viele erfolgreiche Unternehmen – besonders im Technologiesektor – favorisieren mittlerweile aber eine kooperative Arbeitsweise, bei der Mitarbeiter und dynamische Teams auf weniger strukturierte und vernetzte Art und Weise zusammen arbeiten. Dies erfordert einen neuen Performance-Management-Ansatz.
Dr. Harriet Sebald: Die meisten Unternehmen gehen davon aus, dass sich Geschäftserfolg nicht nur an der Zielerreichung bemisst. Daraus muss zwangsläufig ein Überdenken des klassischen Performance-Management-Ansatzes resultieren. Die Veränderungen reichen von der Abschaffung von Rankings bis hin zur Auflösung der direkten Verknüpfung von individueller Leistung und Bonuszahlungen.
 
Bedeutet das, dass wir keine Ziele und Kompetenzen mehr brauchen?
Dr. Harriet Sebald: Zielsetzung bedeutet, dass Werttreiber klar definiert sind und auf Mitarbeiterebene heruntergebrochen werden können. Dabei wird vorausgesetzt, dass nur das Ergebnis zählt, und nicht, wie das Ergebnis erreicht wird. Deshalb verwenden die meisten Unternehmen in der Bewertungen individueller Leistung nicht nur Ziele, sondern auch Kompetenzen, die erwünschtes Verhalten definieren.
Joachim Kayser: Die Bedeutung von monetären und nicht-monetären Zielen im Vergleich zu Kompetenzen ist kulturell bedingt und variiert deshalb stark zwischen Ländern und Industrien. Zum Beispiel gibt es in manchen Ingenieurs- oder auch klassischen Industrieunternehmen Performance-Management-Systeme, die ausschließlich auf einer formelhaften Kombination von Zielen basieren. Bei einigen dieser Unternehmen bestimmt die Erreichung dieser Ziele dann auch direkt die variable Vergütung, das heisst es gibt kein oder wenig Ermessenspielraum für das Management. Allerdings steigt auch in diesen Unternehmen der Bedarf nach Agilität, Kooperation und Innovation, sodass zunehmend verhaltensbezogene Faktoren in Betracht gezogen werden, aber auch angemessenes Leadership-Verhalten.
 
Brauchen wir überhaupt Rankings?
Joachim Kayser: In der Praxis müssen Manager auf viele konträre und sich teilweise gegenseitig begrenzende Interessen Rücksicht nehmen. Im Ergebnis dessen sind die meisten Performance Rankings nicht nur das Resultat von individueller Leistung. Deshalb messen manche Unternehmen Rankings heute weniger Bedeutung bei – oder kommunizieren diese nicht mehr. Finanzdienstleister dagegen bewegen sich aufgrund der zunehmenden Regulierung hin zu einem Mehr an Struktur im Performance Management.
 
Heißt das, es gibt keinen klaren Trend?
Dr. Harriet Sebald: Doch, es gibt industrie- und unternehmensabhängige Trends. Wichtig ist einfach, dass Unternehmen die Ziele ihres Performance-Management-Systems für sich klar definieren. Das System muss zum Unternehmen und seiner Kultur passen, es gibt bei diesem Thema kein „one size fits all“.
Joachim Kayser: Zusätzlich gibt es auch kulturelle Unterschiede. In einigen europäischen Ländern ist es fast unmöglich, Entlassungen aufgrund von Mitarbeiterbewertungen vorzunehmen, die auf einer vorgegebenen Verteilung oder forced distribution beruhen. Viele multinationale Unternehmen machen auch die Erfahrung dass der Umgang mit negativem Feedback regional sehr unterschiedlich ist.
 
… das ist wahrscheinlich besonders dann der Fall, wenn Performance Management mit Vergütung stark verknüpft ist. Sollten individuelle Leistung und Vergütung überhaupt eng verwoben sein?
Dr. Harriet Sebald: Individuelle Leistung und Vergütung sollten immer miteinander korrelieren. Wie dies jedoch in einzelnen Unternehmen umgesetzt wird, unterscheidet sich stark. In manchen wird das Leistungsranking direkt in den Bonus übersetzt. In anderen Fällen schlägt sich individuelle Leistung in sogenannten ‚merit increases‘ nieder.
Joachim Kayser: Andere Unternehmen nutzen wiederum einen diskretionären Ansatz. Obwohl das Performance Ranking natürlich berücksichtigt wird, liegt die Zuteilung von variabler Vergütung im Ermessen der Führungskraft. Es gibt auch Unternehmen, die eine Kombination von formelhafter und diskretionärer Methode verwenden, und solche, die bewusst Performance Management und Vergütung voneinander trennen, um die Entwicklung der Mitarbeiter in den Vordergrund zu stellen. Nur in wenigen Unternehmen gibt es gar keine Verbindung zwischen Performance Management und Vergütung.
Dr. Harriet Sebald: Sobald Vergütung zumindest zum Teil das Resultat des Performance-Management-Prozesses ist, geschieht dies meist über den Short-Term Incentive. Allerdings gibt es auch Unternehmen, die hier andere Vergütungselemente nutzen, zum Beispiel die Grundvergütung.
 
Was sollten Unternehmen nun tun?
Joachim Kayser: Es gibt sicher Situationen, in denen etablierte Performance-Management-Systeme komplett überholt werden müssen, zum Beispiel bei einem umfassenden Kulturwandel. Die große Mehrheit der Unternehmen nutzt jedoch weiterhin Elemente wie Zielsysteme, Leistungsbeurteilungen und monetäre Vergütung, die auf individueller Leistung beruht. Dafür gibt es gute Gründe, insbesondere das Bedürfnis der Manager und Mitarbeiter nach Struktur, Transparenz und Legitimität, wie auch die Tatsache, dass Performance Management die Allokation knapper Ressourcen unterstützt.
Dr. Harriet Sebald: Die meisten Unternehmen reagieren auf die sich verändernden Anforderungen, indem sie die existierenden Systeme anpassen, anstatt diese gänzlich neu zu gestalten. Dies erlaubt ihnen, die Schwächen des traditionellen Systems auszubessern, während die Vorteile erhalten bleiben. Zu den gängigsten Änderungen zählen dabei die Neugewichtung der Wertigkeit von Zielen und Kompetenzen, das Ersetzen einer formelhaften Verknüpfung zwischen Performance Management und Vergütung durch einen Ansatz, der ein höheres Maß an Managementermessen, häufigeres und regelmäßigeres Feedback und ein zunehmender Fokus auf die Entwicklung der Mitarbeiter gewährleistet.

Frau Dr. Sebald, Herr Kayser, herzlichen Dank für das Gespräch! 
Autor Dr. Harriet Sebald

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