Was können Unternehmen tun, um den Frauenanteil in Fach- und Führungspositionen nachhaltig zu steigern? – Mit der Einführung der gesetzlichen Geschlechterquote stellen sich deutsche Unternehmen aktuell genau diese Frage. hkp.com sprach zu dieser Thematik mit den hkp/// group Experten Leon Jacob und Laura Hohmann.
 
Herr Jacob, Frau Hohmann, warum sollten Unternehmen spätestens jetzt den Frauenanteil steigern?
Leon Jacob: Mehr Frauen in Fach- und Führungspositionen zu bringen, ist in vielen deutschen Unternehmen schon länger ein Thema. Aber noch immer sprechen die Zahlen eine deutliche Sprache: So liegt der Frauenanteil in den DAX 30-Unternehmen auf Vorstandsebene nur bei rund 9 % und im oberen Management bei rund 11 %. Es mag Ausnahmen geben, aber letztlich ist auch in der Breite der deutschen Wirtschaft der Frauenanteil in Fach- und Führungspositionen noch zu gering.
 
Doch nun fordert das im März 2015 erlassene Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen die Steigerung der Frauenquote explizit ein …
Laura Hohmann: Ab dem 1. Januar 2016 müssen rund 100 börsennotierte und gleichzeitig paritätisch mitbestimmungspflichtige Unternehmen die fixe Mindestquote von 30 % für den Aufsichtsrat erfüllen. Darüber hinaus müssen rund 3.500 börsennotierte und/oder mindestens drittelmitbestimmte Unternehmen ab September 2015 der so genannten Flexi-Quote nachkommen.
 
Was konkret bedeutet der Begriff der Flexi-Quote?
Leon Jacob: Unternehmen sind gefordert, Zielvorgaben für den Aufsichtsrat, den Vorstand und die beiden Führungsebenen unterhalb des Vorstands zu definieren, bis eine Frauenquote von mindestens 30% erreicht ist. Diese Quote ist anschließend aufrecht zu erhalten.
 
Welche Maßnahmen können die betroffenen Unternehmen denn kurzfristig ergreifen, um die fixe Mindestquote bzw. Flexi-Quote bestmöglich zu erreichen?
Laura Hohmann: Wir raten Unternehmen dazu, als erstes die betroffenen Mitarbeiter und Organe umfassend über die Anforderungen der Mindest- und Flexi-Quote zu informieren. In einem zweiten Schritt sollten die Unternehmen den IST-Zustand analysieren, um daraufhin den Handlungsbedarf und Maßnahmen zur Steigerung des Frauenanteils abzuleiten.
 
Und wie genau können die Unternehmen herausfinden, was die richtigen Ansatzpunkte zur Steigerung des Frauenanteils sind?
Leon Jacob: Um zu identifizieren, wo Potenzial zur Steigerung des Frauenanteils liegt, sollten Unternehmen auf konsequentes Monitoring setzen. Das heißt, entlang des gesamten Employee Lifecycles – angefangen beim Recruiting bis hin zum Austritt der Mitarbeiter – sollten sie die Frauenquote als Key Performance Indicator definieren.
Laura Hohmann: Weitere Hinweise auf die Ansatzpunkte erhalten Unternehmen, wenn sie Mitarbeiterumfragen mit Blick auf die Frauenquote auswerten: Gibt es systematische Unterschiede in den Antworten von Männern und Frauen? Eine weitere Informationsquelle stellen Exit-Interviews dar, in denen Frauen gezielt angeben können, welche Probleme mit Blick auf die Karriereentwicklung von weiblichen Fach- und Führungskräften im Unternehmen existieren.
 
Gehen wir davon aus, ein Unternehmen hat die Handlungsfelder identifiziert: Was sind typische mittel- bzw. langfristige Maßnahmen, um den Frauenanteil zu steigern?
Laura Hohmann: Letztlich sollten die Maßnahmen auf die identifizierten Handlungsfelder zugeschnitten sein. Doch die entscheidende Frage ist, wie mehr Frauen in vakante Positionen befördert werden können. Eine mögliche Maßnahme stellt die langfristige Nachfolgeplanung dar. Denn Unternehmen, die schon in diesem Rahmen hochqualifizierte Nachfolgerinnen anhand von Zielquoten berücksichtigen, sind im Falle einer Vakanz besser vorbereitet.
Leon Jacob: Wichtig ist, dass die qualifizierten Kandidatinnen nicht nur auf der Nachfolgeliste stehen, sondern auch tatsächlich bei der Besetzung von Vakanzen berücksichtigt werden. Damit das gelingt, sollte ein klar definierter und von HR gesteuerter Besetzungsprozess implementiert werden, der dabei hilft, hochqualifizierte Kandidatinnen zu platzieren. 
 
Wie wichtig ist das Thema der Sichtbarkeit der Kandidatinnen im Unternehmen?
Laura Hohmann: Nach unserer Einschätzung ist die unternehmensinterne Visibilität und Präsenz ein häufig unterschätztes Thema. Daher sollten ergänzend zu den obigen Maßnahmen potenziellen Nachfolgerinnen der Zugang zu Plattformen wie Netzwerkveranstaltungen ermöglicht werden. Denn am Ende trifft typischerweise das Linien-Management die Besetzungsentscheidung und nicht der HR-Verantwortliche allein.
 
Wie können Nachfolgekandidatinnen auf eine potenzielle Nachfolge vorbereitet werden?
Leon Jacob: Wir empfehlen Unternehmen, Entwicklungsmaßnahmen individuell auf Nachfolgerinnen auszurichten. Nur dann lassen sich die gewünschten Effekte erzielen. Vielversprechend sind neben klassischen Weiterbildungsangeboten auch Mentoring-Programme, die eine individuelle Begleitung durch erfahrene Führungskräfte und eine Vorbereitung auf typische Herausforderungen ermöglichen.
 
Was sind aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren für das Projekt „Frauenquote“?
Laura Hohmann: Unsere Erfahrung zeigt, dass das Thema der Gender-Diversity wie auch andere Diversity-Themen unbedingt in die Unternehmenswerte und -kultur integriert werden müssen, damit das ganze Unternehmen – von der Geschäftsleitung bis zu den Mitarbeitern – eine Steigerung des Frauenanteils unterstützt.
Leon Jacob: Letztlich sollte es nicht um die Erfüllung einer Quote, sondern um die Förderung von Diversity gehen, die ja schließlich kein Selbstzweck ist. Es geht darum, alle relevanten Potenziale im Unternehmen auszuschöpfen. Wer – bewusst oder unbewusst – bestimmte Mitarbeitergruppen im Unternehmen benachteiligt, wird es zukünftig schwer haben, seine Ziele zu erreichen.

Herr Jacob, Frau Hohmann, herzlichen Dank für das Gespräch!
Autor Leon Jacob

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