Eine erste Einordnung der Konsequenzen für Unternehmen in Deutschland

Frankfurt, 14. März 2017. Nach jahrelanger Beratung hat das Europäische Parlament heute die neue europäische Aktionärsrechterichtlinie verabschiedet. Deutschland und die EU-Mitgliedsstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

 

Ziele und Inhalte der neuen Richtlinie

Transparenz und erleichterte Wahrnehmung der Aktionärsrechte sind zentrale Ziele der neuen Richtlinie. Von besonderem Interesse im Themenbereich Organvergütung sind dabei die Regelungen zur Vergütung der Mitglieder der Geschäftsleitung (Artikel 9a und 9b), aber auch die erhöhten Transparenzanforderungen (Artikel 3f bis 3i) für institutionelle Investoren, Asset Manager und Stimmrechtsberater. Diese Vorgaben sollen zukünftig auf breiter Basis Rückschlüsse auf das Abstimmungsverhalten auf der Hauptversammlung ermöglichen. Weitere Aspekte der Richtlinie betreffen die bessere Identifikation von Aktionären sowie die sogenannten related party transactions.

 

Abstimmung über die Vergütungspolitik: bindend und alle vier Jahre

Konkret müssen Unternehmen nach Artikel 9a künftig eine Vergütungspolitik entwickeln, über die Aktionäre bindend abstimmen. Die Vergütungspolitik soll an den Interessen der Aktionäre ausgerichtet sein und die nachhaltige Unternehmensentwicklung fördern. Sie soll u. a. Angaben zur Gewährung von festen und variablen Vergütungskomponenten, zu Verträgen der Mitglieder der Geschäftsleitung sowie zur Ausgestaltung des Vergütungssystems enthalten.

Die Aktionärsrechterichtlinie definiert Mitglieder der Verwaltungs-, Management- sowie Aufsichtsorgane als Mitglieder der Geschäftsleitung. Im deutschen dualistischen Governance-System ist bereits heute die Hauptversammlung für die Festsetzung der Vergütung des Aufsichtsrats nach § 113 AktG verantwortlich. Die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder wird typischerweise im Rahmen der Satzung geregelt. Änderungen der Vergütung des Aufsichtsrats müssen daher schon heute mit einer Dreiviertel-Mehrheit der Hauptversammlung angenommen werden. Zur Herabsetzung der Vergütung reicht nach § 113 (1) AktG die einfache Stimmenmehrheit.

Die geplante Abstimmung zur Vergütungspolitik soll bei wesentlichen Änderungen, jedoch mindestens alle vier Jahre erfolgen. Die EU-Mitgliedsstaaten haben jedoch die Möglichkeit, in ihren nationalen Regelungen auf eine bindende Abstimmung zu verzichten und stattdessen eine konsultative Abstimmung vorzusehen. Diese ist im deutschen Aktienrecht bereits in § 120 (4) AktG verankert.

Die meisten großen börsennotierten Unternehmen in Deutschland haben in den letzten Jahren ein sogenanntes Say on Pay zum System der Vorstandsvergütung durchgeführt, das bis auf wenige Ausnahmen breite Zustimmung der Aktionäre erfahren hat

„Die in Deutschland seit 2009 bestehende konsultative Abstimmung auf der Hauptversammlung hat sich in der Vergangenheit bewährt. In diesem Punkt besteht daher kein grundlegender Handlungsbedarf. Lediglich die Fristigkeit der Durchführung müsste ergänzt werden.“

Michael H. Kramarsch, Managing Partner hkp/// group

 

Abstimmung über den Vergütungsbericht – Ende des Opt-out im Vergütungsausweis

Börsennotierte Unternehmen in EU-Staaten sollen zukünftig nach Artikel 9b jährlich einen Vergütungsbericht auf Basis der wie beschrieben gebilligten Vergütungspolitik veröffentlichen.

Im Vergütungsbericht ist die Vergütung der Mitglieder der Unternehmensleitung individuell auszuweisen, wobei sowohl gewährte als auch geschuldete Vergütungen veröffentlicht werden. Zudem ist ein Ausweis der jährlichen Entwicklung der Vergütung der Mitglieder der Unternehmensleitung im Vergleich zu der durchschnittlichen Vergütung der Beschäftigten sowie der Unternehmensperformance über fünf Jahre erforderlich. Über den Vergütungsbericht soll jährlich eine beratende Abstimmung auf der Hauptversammlung erfolgen.

Die heute noch in § 286 Abs. 5 HGB vorgesehene Opt-Out-Möglichkeit, eine Offenlegung der individualisierten Bezüge zu vermeiden, wenn die Hauptversammlung dies mit einer Dreiviertelmehrheit beschließt, wäre damit zukünftig ausgeschlossen.

„Die Unternehmen, die sich bislang einem individuellen Ausweis der Vorstandsbezüge mit Hilfe der Opt-Out-Klausel verschlossen haben, müssen sich zukünftig den Gepflogenheiten des Kapitalmarkts beugen.“  

Regine Siepmann, Partner hkp/// group

 

Die einzelnen Länder sollen zudem Guidelines zur standardisierten Darstellung des Vergütungsberichts erlassen. Hier hat der deutsche Gesetzgeber mit dem Handelsgesetzbuch (HGB) und der Auslegungshilfe Deutscher Rechnungslegungs Standard 17 (DRS 17) sowie dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) mit seinen Mustertabellen bereits weitreichende und detailliertere Regelungen erlassen als von der EU nunmehr vorgesehen.

„Die DCGK-Mustertabellen stellen schon heute einen unternehmens- und systemübergreifend einheitlichen Ausweis der Vorstandsvergütung sicher. Allein änderungsbedürftig wäre aus Sicht von hkp/// eine Vereinheitlichung des Ausweises nach DCGK und HGB/DRS 17, um das Nebeneinander der verschiedenen Lesarten zu beenden und für den Aktionär verständlicher zu gestalten.“ 

Regine Siepmann, Partner hkp/// group

 

Fazit aus Sicht von Unternehmen in Deutschland

Deutschland und seine Unternehmen sind bereits heute als Vorreiter in Sachen Transparenz und Professionalität in der Organvergütung zu sehen. Umso kritischer ist es, dass die europäischer Aktionärsrechterichtlinie in den – gut austarierten und auch von den Aktionären positiv aufgenommenen – deutschen Corporate-Governance-Rahmen eingreift, indem sie fundamentale Kompetenzen des Aufsichtsrats in Sachen Vorstandsvergütung auf die Hauptversammlung übertragen will.

„Die EU geht von einem idealtypischen Aktionärsbild aus, das wenig Übereinstimmung mit der Realität aufweist. Denn es sind eben nicht mehr unternehmerisch engagierte, langfristig orientierte Einzelaktionäre, die eine Hauptversammlung und ihre Beschlüsse prägen, sondern Fonds, Investoren oder Kapitalsammelstellen mit ihren zum Teil konträren Vorstellungen und eigenen Anreizsystemen.“ 

Michael H. Kramarsch, Managing Partner hkp/// group

Bei der Umsetzung in deutsches Recht sollte der Gesetzgeber daher nur die minimal erforderlichen Anpassungen vornehmen, da sonst eine weitere Aushöhlung des deutschen Governance-Systems absehbar ist.

Autor Regine Siepmann

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