• Aufsichtsräte sehen sich zu Recht in der Verantwortung für die bestmögliche Besetzung der Geschäftsleitung bzw. des Vorstands
  • Langfrist-Perspektive in der Nachfolgeplanung oft nur unzureichend abgedeckt durch zu starken Fokus auf Notfallnachfolger
  • Ergebnisse einer aktuellen hkp/// group Umfrage unter Aufsichtsratsvorsitzenden und Verwaltungsratspräsidenten in Deutschland, der Schweiz und Österreich
 
Frankfurt am Main, 2. November 2015. Das Thema Nachfolgeplanung zur Nachbesetzung von Positionen in der Geschäftsleitung bzw. dem Vorstand genießt bei Aufsichtsratsvorsitzenden und Verwaltungsratspräsidenten in Deutschland, Österreich und in der Schweiz hohe Aufmerksamkeit. In den meisten deutschen Unternehmen sieht sich dabei ausschließlich der Aufsichtsratsvorsitzende (ARV) in der Verantwortung, in Österreich und der Schweiz oft gemeinsam mit dem CEO. Der Fokus der etablierten Planungsprozesse liegt häufig auf der Identifikation von Notfallnachfolgern. Kandidaten für die reguläre Nachfolge, häufig mit langfristiger Perspektive, stehen deutlich seltener auf der Agenda. Da die Suche nach Kandidaten meist unabhängig von konkreten Vakanzen und unter Berücksichtigung sowohl interner als auch externer Kandidaten stattfindet zeigt sich trotzdem eine deutliche Mehrheit der ARV und Verwaltungsratspräsidenten (VRP) zufrieden mit der Nachfolgeplanung im eigenen Unternehmen.
 
Dies sind die wichtigsten Erkenntnisse einer aktuellen Umfrage der Unternehmensberatung hkp/// group unter ARV bzw. VRP in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Die hkp/// Studie beleuchtet die Hintergründe und Prozessschritte der Nachfolgeplanung für den Vorstand bzw. die Geschäftsleitung und gibt Empfehlungen zur Optimierung des Prozesses.
 
„Angesichts des demographischen Wandels, der kürzeren Verweildauer im Amt und des in Deutschland geltenden Gesetzes zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst gestaltet sich die Nachbesetzung von Top-Management-Positionen zunehmend als schwierig“, erklärt hkp/// group Senior Partnerin Dr. Harriet Sebald. „Entsprechend hoch ist die Aufmerksamkeit, die Aufsichts- und Verwaltungsräte einer langfristigen, passgenauen Nachfolgeplanung für ihr Top-Management aber auch für andere Schlüsselpositionen im Unternehmen widmen“, so die Talent-Management-Expertin.
 
Gründe für die Etablierung einer langfristigen Nachfolgeplanung
Die langfristige Nachfolgeplanung für die Geschäftsleitung ist per Gesetz und Corporate Governance Kodex in Deutschland (AktG § 90 Abs. 1 Satz 1 und DCGK Ziffer 5.1.2;) und Österreich (AktG § 81 Abs. 1 und ÖCGK Ziffer V.C.38) vorgeschrieben. In der Schweiz wird unter dem Titel „Good Governance“ eine analoge Empfehlung ausgesprochen.
 
Interessanterweise sieht nur jeder fünfte ARV/VRP in diesen gesetzlichen Rahmenbedingungen einen Treiber für die Nachfolgeplanung auf Ebene der Geschäftsführung bzw. des Vorstands. Dagegen erklären fast alle befragten ARV bzw. VRP die Identifikation des bestgeeignetsten Kandidaten bzw. der bestgeeignetsten Kandidatin zum zentralen Motiv. Grund dafür dürfte sein, dass Fehlentscheidungen bei der Besetzung der Geschäftsleitung bzw. des Vorstands einen hohen wirtschaftlichen Schaden nach sich ziehen können.
 
Seit der Einführung des „Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“ in Deutschland hat sich der Wettbewerb um hochqualifizierte weibliche Kandidaten noch weiter verstärkt. Auf Platz zwei der wichtigsten Gründe für die Nachfolgeplanung auf Geschäftsleitungsebene steht das Risikomanagement (41%). Unbesetzte Vorstandsfunktionen stellen schlicht ein Unternehmensrisiko dar, das Unternehmen mit Hilfe einer professionellen Nachfolgeplanung minimieren wollen.
 
Hauptsächlich ARV/VRP in der Verantwortung
In Deutschland gilt per Gesetz die Vorgabe, dass „[der ARV] gemeinsam mit dem Vorstand für eine langfristige Nachfolgeplanung sorgen“ soll (DCGK Ziffer 5.1.2). Im Gegensatz dazu liegt die Entscheidung in der Schweiz und Österreich regulatorisch beim Unternehmen selbst.
 
Dieser Unterschied spiegelt sich auch in den Studienergebnisse wider: Während in Deutschland der ARV am häufigsten die Hauptverantwortung für die Nachfolgeplanung auf Geschäftsleitungsebene übernimmt, sind in Österreich und der Schweiz ARV/VRP und Vorstandsvorsitzende/CEO gleich häufig hauptverantwortlich für dieses Thema. Dieser Unterschied lässt sich in erster Linie durch die unterschiedlichen Corporate Governance Systeme in Deutschland, Österreich und der Schweiz begründen. In beiden Fällen ist der regelmäßige Austausch zwischen den Aufsehern und der Geschäftsleitung bzw. des Vorstands entscheidend und sollte mindestens einmal jährlich offiziell stattfinden, was in knapp 60% der Unternehmen der Fall ist.
 
Gestaltung des Prozesses der langfristigen Nachfolgeplanung
Im Gegensatz zur Hauptverantwortung für die Nachfolgeplanung gibt es per Gesetz keine konkreten Vorgaben zur eigentlichen Ausgestaltung des Prozesses. Laut der aktuellen hkp/// group Studie verlassen sich rund 90% der Unternehmen auf eine Identifikation von Notfallnachfolgern, rund 80% planen Regelnachfolger und nur rund 60% haben auch langfristige Nachfolger auf der Agenda.
 
„Im Sinne eines kurz- und mittelfristigen Risikomanagements ist der Fokus auf Notfall- und Regelnachfolgern erfolgsversprechend, da für plötzliche Ausfälle sowie geplante Austritte (z. B. Pensionierung) vorgesorgt ist. Doch um tatsächlich perspektivisch vorbereitet zu sein, ist eine Identifikation von langfristigen Nachfolgern, die den Posten nach mehreren Karriere- und Entwicklungsschritten übernehmen können, unumgänglich“, erklärt hkp/// Senior Manager und leitender Studienautor Frank Gierschmann, „Nur wer eine solche Herangehensweise verfolgt, wird den Anforderungen an eine langfristige Nachfolgeplanung wirklich gerecht.“.
 
Nutzung interner und externer Quellen für Kandidaten unabhängig von Vakanzen
Sinnvollerweise erfolgt in den meisten Unternehmen (79%) die Auswahl und das Kennenlernen der Kandidaten für eine potenzielle Nachfolge unabhängig von einer aktuellen Vakanz. Dieses Vorgehen ist eine wichtige Voraussetzung für die langfristige Nachfolgeplanung. Bei der Entscheidung, welche Quellen zur Identifikation potenzieller Kandidaten herangezogen werden, setzt die Mehrheit der Studienteilnehmer auf eine Kombination aus internen und externen Quellen bei der Nachfolgersuche. Die Verknüpfung beider Ansätze erhöht die Chancen, geeignete Kandidaten zu identifizieren. Intern identifizierte Nachfolger sind bereits „on board“ und können somit effizienter, kostengünstiger und risikoärmer eine neue Rolle einnehmen. Extern identifizierte Nachfolger bringen dagegen neues Wissen und spezifische Fähigkeiten mit, die womöglich für die nächste Entwicklungsphase des Unternehmens benötigt werden. Gleichzeitig ist aber die Wahrscheinlichkeit in der neuen Aufgabe zu scheitern bei externen Kandidaten nachweislich höher.
 
Bei der Frage, auf welchen Ebenen des Unternehmens interne Kandidaten identifiziert werden, sind größenspezifische Unterschiede festzustellen: Während sich die Kandidatensuche in Unternehmen mit bis zu 25.000 Mitarbeitern auf die erste Ebene unterhalb des Vorstands konzentriert, weiten große Unternehmen mit mehr als 25.000 Mitarbeitern den Fokus zumindest auf die zweite Ebene aus. Die hkp/// group Studienautoren empfehlen, Kandidaten stets über mehrere Ebenen zu suchen, um über mehrere Entwicklungs- und Karriereschritte hinweg langfristig Nachfolger identifizieren zu können.
 
Auswahl und Beurteilungskriterien
Sind die potenziellen Nachfolger identifiziert, bleibt zu entscheiden, welche Auswahlmethoden eingesetzt werden. Diesbezüglich setzen die meisten Unternehmen auf Werdegang und Referenzen (72%). Überraschend ist, dass darüber hinaus viele Unternehmen (62%) die Auswahl anhand von externen Assessments vornehmen.
 
Hinsichtlich der Beurteilungskriterien für die Nominierung eines potenziellen Nachfolgers nutzen die meisten Unternehmen die Führungserfahrung (90%) als entscheidendes Kriterium. Erstaunlicherweise prüfen die wenigsten Studienteilnehmer die Passung eines Kandidaten zur aktuellen wirtschaftlichen Situation des Unternehmens (z.B. Turnaround oder Post-Merger).
 
Ergebnisse der Nachfolgeplanung
Insgesamt belegen die Ergebnisse der Umfrage, dass 91% der an der aktuellen Studie teilnehmenden ARV/VRP mit dem beschriebenen Prozess sowie dem Ergebnis der Nachfolgeplanung für den Vorstand zufrieden sind. Konkret zeigt sich, dass zwei von drei kleinen Unternehmen die Hälfte der Vakanzen durch Kandidaten von der Nachfolgeliste besetzen. Bei den großen Unternehmen sind es zwischen 75% und 90% der Vakanzen.
 
Aus Sicht der Studienautoren sind diese Erfolgsquoten jedoch mit einem Fragezeichen verbunden, da aktuell nur 62% der Unternehmen ein konsequentes Monitoring im Einsatz haben. „Viele Unternehmen verzichten darauf, konsequent und datenbasiert zu überprüfen, wie die Ergebnisse der Nachfolgeplanung ausfallen und ob der Prozess an sich zielführend ist. Um allerdings jederzeit eine fundierte Aussage über den Erfolg und möglichen Handlungsbedarf in der Nachfolgeplanung tätigen zu können, sollten Unternehmen entsprechende Kennzahlen definieren und diese konsequent beobachten“, erklärt hkp/// group Studienautor Frank Gierschmann. Derartige Key Performance Indikatoren können u.a. die Anzahl vorhandener Nachfolger oder der Anteil der Besetzung von Vakanzen durch Kandidaten der Nachfolgeliste sein. Insbesondere vor dem Hintergrund des Gesetzes zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen in Deutschland stellt das Verhältnis von weiblichen und männlichen Nachfolgern aus Sicht der Studienautoren eine zentrale Kenngröße dar, um die festgelegten Zielgröße bei der Besetzung erfüllen zu können.
 
Hintergrundinformationen zur Studie
Die hkp/// group Studie „Nachfolgeplanung für den Vorstand / die Geschäftsleitung“ stützt sich auf Antworten von Aufsichtsratsvorsitzenden und Verwaltungsratspräsidenten von Unternehmen in Deutschland, Österreich und in der Schweiz auf eine anonyme Umfrage, durchgeführt im Juli/August 2015. Ziel war es zu ermitteln, welche Motive für die Nachfolgeplanung bestehen, wie Aufsichtsratsvorsitzende in Deutschland und in Österreich bzw. Verwaltungsratspräsidenten in der Schweiz den jeweiligen gesetzlichen Anforderungen bzw. Empfehlungen nachkommen und die Nachfolgeplanung für den Vorstand gestalten. An der Umfrage nahmen insgesamt 29 ARV bzw. VRP teil – 19 aus Deutschland, 8 aus der Schweiz und 2 aus Österreich. Die Teilnehmer stammten aus Unternehmen unterschiedlicher Branchen sowie Größe (1.000 bis 100.000 Mitarbeiter).
Autor Dr. Harriet Sebald

Sie möchten mehr zum Thema wissen?

Vereinbaren Sie einen (Telefon-) Termin mit Dr. Harriet Sebald