• Bezüge der 30 DAX-Vorstandsvorsitzenden steigen 2011 im Durchschnitt um rund 9% und erreichen in der Spitze internationales Top-Niveau
  • Auswirkungen regulatorischer Vorgaben erstmals in voller Konsequenz sichtbar: Nachhaltige Vergütung ersetzt zu großen Teilen traditionellen Jahresbonus
  • Vergütungstransparenz nimmt ab – Grundsätzlicher Umbau des Vergütungsausweises erforderlich
  • Analyse „hkp/// Geschäftsberichtsauswertung Vorstandsvergütung DAX 2011“ 

Frankfurt am Main, 23. März 2012. Die Vorstandsvergütung in den größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands (DAX) hat sich im Geschäftsjahr 2011 überwiegend in Übereinstimmung mit den Unternehmensergebnissen entwickelt und dabei zum Teil Rekordhöhen erreicht. So ist die durchschnittliche Direktvergütung (Grundvergütung plus ein- und mehrjährige variable Vergütung) eines Vorstandsvorsitzenden im Börsenindex DAX für das Geschäftsjahr 2011 um rund 9% auf 5,04 Mio Euro gestiegen. Dies ist der höchste Wert seit 2006, dem Beginn der individuellen Ausweispflicht von Vorstandsvergütungen in Deutschland. Zu den Spitzenverdienern zählen 2011 die Vorstandsvorsitzenden von Volkswagen mit 16,60 Mio. Euro und Deutsche Bank mit 9,36 Mio. Euro. Am unteren Ende der Rangreihe finden sich die Vergütungen der Vorstandsvorsitzenden von K+S (2,22 Mio. Euro) und Beiersdorf (1,42 Mio. Euro). Die Vergütung des Vorstandsvorsitzenden der Commerzbank bleibt auf 500.000 Euro Fixvergütung begrenzt, da das Unternehmen der staatlichen Aufsicht unterliegt.

Die für das Geschäftsjahr 2011 veröffentlichten Angaben der Unternehmen erlauben erstmals eine fundierte Bewertung der Auswirkungen gesetzlicher und regulatorischer Neuregelungen auf die Top-Management-Vergütung. So hat sich der Anteil der mehrjährigen variablen Vergütung, wie im Gesetz zur Angemessenheit in der Vorstandsvergütung (VorstAG) gefordert, deutlich erhöht. Er beläuft sich jetzt auf 48% der Direktvergütung eines Vorstandsvorsitzenden. Damit unterliegt die Hälfte der für 2011 gewährten Bezüge über die nächsten zwei bis vier Jahre einem Auszahlungsrisiko und kann in Abhängigkeit der Geschäftsentwicklung ganz entfallen oder auch deutlich höher ausfallen

Zu diesen Aussagen kommt die heute präsentierte Studie „hkp/// Geschäftsberichtsauswertung Vorstandsvergütung DAX 2011“ der Unternehmensberatung Hostettler, Kramarsch & Partner (hkp///). Die Analyse bezieht methodisch alle quantitativen und qualitativen Angaben der Geschäftsberichte aller 30 DAX-Unternehmen zur Vorstandsvergütung ein.

„Das Geschäftsjahr 2011 war für viele Unternehmen historisch erfolgreich. Dies schlägt sich auch in der Vergütung nieder. Unternehmensergebnisse, Mitarbeiterboni und Vorstandsvergütung erreichen Rekordniveaus“, erklärt Michael H. Kramarsch, Managing Partner von hkp///. Er verweist zugleich darauf, dass die Auswirkungen der zurückliegenden gesetzlichen und regulatorischen Änderungen jetzt erstmals in vollem Umfang sichtbar sind. „Die festen Vergütungsbestandteile steigen leicht, aber der deutliche Systemumbau findet bei den variablen Bezügen statt. Wie von Gesetzgeber und Regulatoren gefordert, wird der traditionelle Jahresbonus immer stärker durch eine mehrjährige Nachhaltigkeitskomponente abgelöst“, so der Vergütungsexperte.

Umbau der Vorstandsvergütung: Wende zur Nachhaltigkeit vollzogen

Das Niveau der durchschnittlichen Grundvergütung eines DAX-Vorstandsvorsitzenden erweist sich seit Jahren als relativ stabil. So ist auch für das Geschäftsjahr 2011 ein moderater Anstieg der Grundvergütung in Höhe von rund 5,3% auf 1,26 Mio. Euro zu verzeichnen. Demgegenüber ist der Vergleichswert für die einjährige variable Vergütung (Jahresbonus) eines Vorstandsvorsitzenden im DAX um 18% auf rund 1,38 Mio. Euro gesunken – dies entspricht dem Tiefstwert seit dem Beginn der individuellen Ausweispflicht für Vorstandsvergütungen im Jahr 2006.

Deutlich erhöht hat sich in 2011 die zugesagte mehrjährige variable Vergütung. Diese beläuft sich für die DAX-Vorstandsvorsitzenden nach einem Anstieg um 36% im zurückliegenden Geschäftsjahr im Durchschnitt auf 2,40 Mio. Euro. Mehrjährige variable Vergütungsbestandteile machen damit fast zwei Drittel der variablen Bezüge eines Vorstandsvorsitzenden im DAX aus (63%).

„Für die Unternehmenslenker im DAX hat sich im Verlauf der letzten Jahre die Relation von einjähriger zu mehrjähriger variabler Vergütung komplett umgekehrt“, verweist Regine Siepmann, hkp/// Vergütungsexpertin und Studienautorin, auf die vollzogene Entwicklung zu mehr Nachhaltigkeit in der Vergütung. „Unternehmen setzen mehr denn je auf den mehrjährigen Erfolg, zum Beispiel durch eine verzögerte Auszahlung kurzfristiger variabler Bezüge über Bonus-Malus-Regelungen oder klassische eigenständige Langfristvergütungen.“

Parallel zur Umgewichtung im Vergütungsmix hin zu mehrjährigen variablen Vergütungen hat ein Drittel der DAX-Unternehmen in den Vergütungssystemen für ihre Vorstände Stakeholder-Ziele eingeführt. Der für die Vergütung relevante Erfolg wird demnach nicht mehr nur an reinen Finanzkennzahlen bemessen. So nutzen 70% dieser Unternehmen bereits die Mitarbeiterzufriedenheit als Bemessungsgröße, gefolgt von Kundenzufriedenheit und Umweltschutz, Corporate Social Responsibility, Compliance und Arbeitgeberattraktivität.

Pay-for-Performance: Gemischtes Bild in der Erfolgsorientierung

Im direkten Vergleich der 23 Vorstandsvorsitzenden, die sowohl 2010 als auch 2011 im Amt waren, zeigt sich, dass sich deren Vergütungen im Geschäftsjahr 2011 überwiegend in Übereinstimmung mit den Unternehmensergebnissen entwickelt haben. Die höchsten Vergütungszuwächse gegenüber 2010 sind für die Vorstandsvorsitzenden von Infineon (+68% auf rund 3,68 Mio. Euro), Volkswagen (+63% auf rund 16,60 Mio. Euro) und BMW (+43% auf 6,13 Mio. Euro) ausgewiesen. Bei allen drei Unternehmen wurde der Gewinn pro Aktie als Performance-Kenngröße erheblich gesteigert.

Rückläufige Vergütungen für ihre Vorstandsvorsitzenden weisen die Unternehmen Metro (-27% auf 3,15 Mio. Euro), MAN (-26% auf 2,63 Mio. Euro), Allianz (-20% auf 4,39 Mio. Euro) und Münchener Rück (-15% auf 3,40 Mio. Euro) aus. Hier korreliert die grundsätzliche Vergütungsentwicklung mit schlechteren Geschäftsergebnissen.

Allerdings sind auch Diskrepanzen in dieser Analyse zu beobachten. Bei insgesamt 3 Unternehmen stehen höhere Vergütungen gesunkenen Ertragswerten gegenüber, so bei Beiersdorf, Deutsche Post und Merck.

DAX-Vergütungen auch international Spitze

Nach Geschäftsberichtsangaben wird die Gruppe der Spitzenverdiener bei den DAX-Vorstandsvorsitzenden von Volkswagen (16,60 Mio. Euro Direktvergütung) angeführt, gefolgt von Deutsche Bank (9,36 Mio. Euro), Siemens (8,71 Mio. Euro) und Daimler (8,65 Mio. Euro).

Nach Vorlage von 30 Geschäftsberichten der 50 größten börsennotierten europäischen Unternehmen (StoxxEurope50) nimmt Volkswagen damit auch auf europäischer Ebene die Spitzenposition ein, gefolgt von Novartis mit 12,55 Mio. Euro Direktvergütung für den CEO. Bei Berücksichtigung amerikanischer Unternehmen fällt VW auf den dritten Platz zurück. Mit dem Vorstandsvorsitzenden von Deutsche Bank befindet sich ein weiterer DAX Vorstandsvorsitzender unter den internationalen Top20-Verdienern.

Die durchschnittliche Direktvergütung eines CEO im StoxxEurope50 beträgt 6,54 Mio. Euro und liegt damit um ca. 30% über dem DAX-Durchschnitt von 5,04 Mio. Im US-amerikanischen DowJones-Index (DJIA30) beläuft sich dieser Wert nach den bislang veröffentlichten Geschäftsberichten auf 12,48 Mio. Euro. Die vorläufig höchste Direktvergütung hier erhält 2011 der CEO von Walt Disney mit 21,85 Mio. Euro.

Vergütungstransparenz nimmt ab − Grundlegender Umbau erforderlich

2011 haben sich die inhaltlichen Beschreibungen im Ausweis der Vorstandsvergütung in den Geschäftsberichten weiter verbessert. Auch weisen erstmals alle DAX-Unternehmen die Vergütungen für ihre Vorstände individuell und getrennt nach Vergütungselementen aus. Sie folgen dabei den Vorgaben des Gesetzgebers, der Regulatoren und Wirtschaftsprüfer. Dennoch werden jetzt grundsätzliche Versäumnisse bei den Regelungen sichtbar.

„Ziel der überarbeiteten Publizitätsvorschriften ist es, die Transparenz und Vergleichbarkeit in Fragen der Vorstandsvergütung zu erhöhen. Dieses Ziel wurde klar verfehlt. Zwar weisen die Unternehmen korrekt aus, aber die Vergütungspublizität steckt in der ‚“Buchhaltungs-Falle“, kritisiert hkp/// Managing Partner Michael H. Kramarsch die aktuelle Situation. „In anderen Ländern regeln Börsen- oder Corporate-Governance-Vorschriften die Vergütungstransparenz – in Deutschland das HGB. Durch die verstärkte Langfristorientierung sehen wir immer mehr Vergütungsphantasie und immer weniger Vergütungsrealität. Die Zahlen verlieren massiv an Aussagekraft.“

Nach Auffassung des hkp/// Vergütungsexperten braucht es nicht mehr, sondern einfachere und bessere Regeln: „Vergütungstransparenz passt in zwei Tabellen – auf die Vorder- und Rückseite eines Bierdeckels – einmal mit Werten zu der jährlich gewährten und einmal zur tatsächlich realisierten Vergütung. Diese Transparenz ist im Interesse von Vorständen, Aufsichtsräten und Aktionären. Die Diskussion um das gesellschaftspolitisch relevante Thema der Top-Bezüge darf nicht auf Basis irreführender Zahlen geführt werden“, so Michael H. Kramarsch. Von Vergütungsobergrenzen, wie sie aktuell teilweise gefordert werden, hält er hingegen nichts: „Es braucht kompetente und starke Aufsichtsräte, verbesserte Transparenz sowie Eigentümer, die von ihrem Mitspracherecht in Vergütungsentscheidungen engagiert Gebrauch machen“, so der Vergütungsexperte.

Autor Michael H. Kramarsch

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